Fluch und Segen zugleich

24.04.2025

Foto: © natakot - stock.adobe.com

Exklusiv

Für die Versicherungsbranche bleibt die Schadensituation angespannt. Der Gesamtverband der Versicherer, kurz GDV, verzeichnete im letzten Jahr erneut hohe Belastungen. Die Fahrzeug-, Gebäude- und Gewerbeversicherungen liegen mit den Kosten- und Schadenaufwendungen deutlich über den Beitragseinnahmen. Andere Sparten bewegen sich dicht am roten Bereich. Beitragssteigerungen sollen die Situation entschärfen, was etliche Kunden auf Vergleichsportale und zur Konkurrenz treibt. Die Versicherer suchen nach Lösungen und setzen unter anderem auf bessere Schadenergebnisse mittels Regresse und anderer Rückgriffe, um Teile der Ersatzleistungen zurückzuerhalten. Für die Versicherungsmakler und Versicherten sind solche Rückgriffe sowohl Fluch als auch Segen.

Gesetzliche Pflichten

Die Herbeiführung von Schäden wird geahndet. Auf Betrug, billigende Inkaufnahme oder Vorsatz folgen Strafverfahren, Bußgelder und seitens der Versicherer gewöhnlich Leistungsablehnungen. Ebenso bringt grob fahrlässiges Verhalten die Versicherungskunden in Schwierigkeiten sowie in den Rückgrifffokus. Sind beispielsweise Alkohol, Drogen, Rotlichtverstöße oder Tempovergehen im Spiel, bitten die Kraftfahrthaftpflichtversicherer den Fahrzeughalter mit mehreren tausend Euro zur Kasse und stellen den Teil- und Vollkaskoschutz infrage. Unfallverursacher ohne Führerschein erhalten gleich mehrfach die Quittung: Unfallgegner und Fahrzeughalter fordern Ersatz und Versicherer Leistungen zurück. Sachbeschädigungen oder Personenverletzungen rufen die zuständigen Hausrat-, Gebäude-, Technik- oder Krankenversicherer auf den Plan, welche entweder erbrachte Leistungen vom Schadenverursacher zurückfordern oder Mitversicherer zur Beteiligung am Schaden suchen.

Die Haftpflichtversicherer der Haushalte und Unternehmen sind ähnlich gefordert. Riskantere Berufe wie Architekten, Rechtsanwälte oder Versicherungsmakler benötigen vor der Tätigkeit einen Haftpflichtschutznachweis. Wie gegen beratende Berufe nehmen die Regressfälle gegen Produkthersteller und Importeure in die Europäische Union sowie gegen Eigentümer von Hunden, Pferden oder Öltanks von Seiten der Versicherer zu. Bereits der Zusammenhang zwischen einer Herstellung und dem Schaden löst Ansprüche aus. Führen Ölleckage, Hundebiss, Pferdetritt und Co. zu Beschädigungen oder Verletzungen, haften die Eigentümer gegenüber den Geschädigten. Leistete ein Krankenoder Schadenversicherer vorab Ersatz an den Geschädigten, gehen dessen Ansprüche gegen den Verursacher kraft Gesetzes auf den Versicherer zwecks Regresses über. Der Haftpflichtversicherer des Verursachers stellt sich den Regressanspüchen und sucht seinerseits nach Mitschuldigen etwa aus der Befüllung, Reparatur und Wartung von Öltanks oder einem Tierhüter. Solche Regresse können existenzielle Ausmaße erreichen. Bleiben Verursacher oder Mitschuldige mangels Haftpflichtschutz auf den Regressen sitzen, drohen Rückgriffe gegen Versicherer, Vertreter oder Makler. Komplizierter wird es, sofern mehrere Vermittler den Kunden betreuen. Ohne eine aufklärende Beratungsdokumentation hängen solche Rückgriffe mitunter am Versicherungsmakler trotz anderer Vermittler. Die Rückgriffe auf andere Vermittler oder bei Vertretern auf deren Versicherer wären dann vom Berufshaftpflichtversicherer des Maklers einzuleiten.

Wirtschaftliche Kür

Geschädigte dürfen nach Schadenfällen nicht bessergestellt sein als davor. Sind Schäden ganz oder teilweise mehrfach abgesichert, schreibt der Gesetzesgeber den beteiligten Risikoträgern interne Ausgleichspflichten ins Buch. Künstliche Intelligenz soll Versicherern diese personalintensiven Mehrfachversicherungsausgleiche abnehmen. Bisher vertrauten die Versicherer auf Rahmenabkommen, um den Aufwand besonders für Kleinschäden einzugrenzen. Diese Abkommen stehen auf dem kartellrechtlichen Prüfstand. Der GDV empfiehlt bei Benachteiligung von Versicherungsnehmern einen Anwendungsverzicht, was Versicherungsausgleiche oder Verursacherregresse mit und ohne IT-Hilfe noch komplexer gestaltet. Der Bedingungswettbewerb zur Schadenversicherung mit Best-of- und Innovations-Klauseln schafft zudem neue Mehrfachdeckungen. Das kleine Plus für Makler mit eigenen Deckungskonzepten: Bei schadenbedingter Sanierung sollten Makler, neben der Information über Schadenquoten und unnötige Reserven, auf Auskünfte zu ausgebliebenen Rückgriffen drängen. Die Sanierung könnte glimpflicher verlaufen. In der Gebäude-, Kredit-, Transport- und technischen Versicherung sind Verursacherregresse und Co. gang und gäbe. Experten zufolge soll dort wie auch in weiteren Sparten in puncto Rückgriffe noch Luft nach oben sein. Einige Rechtsschutzversicherer setzen die Anwälte ihrer Versicherten verstärkt unter Ergebnisdruck. Unterliegen die Versicherten z. B. vor Gericht, sollen die Anwälte bei Versäumnissen für die vergeblichen Prozesskosten einstehen. Das Unterliegen indiziert per se ein versäumtes Abraten vom Prozess. Die Berufshaftpflichtversicherer der Rechtsanwälte sind da wenig erfreut.

Dynamischer Trend

Rückgriffe gehören fest zum Schadenmanagement. Die Branchenaufsicht und Gesetze zwingen Schadenversicherer zur konsequenten Verfolgung möglicher Rückgriffe. Die Mehrfachversicherungsausgleiche tragen die Versicherer zumeist hinter den Kulissen aus. Bei Leistungskürzungen in Folge von Obliegenheitsverletzungen oder bei Verursacherregressen sind die Versicherungsnehmer oftmals enger eingebunden oder sogar selbst Verursacher. Auf den Versicherern lastet ein enormer Kosten- und Schadendruck. Die Maklerbüros sollten sich deshalb auf mehr Schadenrückgriffe und Fragen vonseiten der Betroffenen einstellen. Wer hier punktet, festigt die Beziehungen zu seinen Kunden und Versicherern. (gg)