(Wann) Kommt die Zinswende?
11.01.2018
Ottmar Wolf, Vorstand Wallrich Wolf Asset Management AG / Foto: © Wallrich Wolf Asset Management AG
Während die Leitzinsen für Deutschland weitaus zu niedrig sind und anstelle des negativen Einlagesatzes in Höhe von minus 0,40 Prozent eher positive 2,0 Prozent angemessen wären, sieht EZB-Chef Mario Draghi seine Aufgabe weiterhin in der Finanzierung der hochverschuldeten europäischen Länder, die nach wie vor auf Unterstützungen angewiesen sind.
Die positiven Konjunkturdaten und die möglicherweise leicht höhere Inflation sowie das absehbare Ende des Anleihekaufprogramms sprechen aber in der Tat für moderat steigende Bundrenditen in 2018. Eine echte Zinswende mit einer starken Erhöhung der gesamten Zinsstrukturkurve zeichnet sich aber weder für Europa noch für die USA ab. Inzwischen sollte jedem klar sein, dass sich Politiker und Notenbanken gemeinsam über das unlösbare Ü̈berschuldungsproblem bewusstgeworden sind und sich ein signifikant höheres Zinsniveau daher noch für sehr lange Zeit verbietet. Als „Vorbild“ kann hier sicherlich das ultra-hoch verschuldete Japan gesehen werden (ca. 240 Prozent des Bruttoinlandsprodukts), in dem die Nullzinswelt nun bereits seit rund 20 Jahren Bestand hat.
Auch die sogenannten Forward-Zinsen bestätigen diese Einschätzung. So beträgt zum Beispiel der Zins für einen zehnjährigen Kredit in Euro, der in fünf Jahren starten wird (Laufzeit von Januar 2023 bis Januar 2033), gerade einmal 1,79 Prozent. Dies impliziert eine Zinssteigerung von rund einem Prozent oder 100 Basispunkten über die nächsten fünf Jahre, also im Durchschnitt 20 Basispunkte pro Jahr. Sollte die Forwardkurve „recht behalten“, hätten wir auch in fünf Jahren ein nach wie vor sehr tiefes Zinsniveau.
Eine echte Zinswende zeichnet sich somit zumindest für das Jahr 2018 nicht ab – und zwar weder in den USA und erst recht nicht in Europa. Da es aber zu einem moderaten Anstieg bei den zehnjährigen Renditen kommen könnte, sollten Langläufer bester Bonität gemieden werden.
Konsequenzen: Die von uns seit einigen Jahren eingesetzten „Cash-Surrogate“ - also Investment Grade Corporate Bonds (lautend auf Euro) mit mittlerer Duration - bieten ein ausgewogenes Chance-Risiko-Profil, allerdings nur unter Berücksichtigung der steilen Zinskurve und des damit verbundenen Roll-Down-Effektes. Während wir bisher die Laufzeiten dieser Portfolios immer wieder verlängert haben, um die Duration konstant bei rund vier Jahren zu halten, vermeiden wir dies seit einigen Monaten, wodurch der Pull-to-Par-Effekt sukzessive an Gewicht gewinnt. Der Bereich Credit bleibt interessant – aber nicht mehr in der bisherigen Breite, sondern lediglich auf sehr selektiver Basis. Nicht länger interessant sind die von uns vor einem Jahr empfohlenen Additional Tier1-Anleihen der Banken („CoCo- Bonds“), da die Credit Spreads, bedingt durch die ausgedehnte Rallye in diesem Bereich, inzwischen zu sehr zusammengeschmolzen sind.
Kolumne von Ottmar Wolf, Vorstand der Wallrich Wolf Asset Management AG in Frankfurt am Main