„Visa im Blut – Willkommen im Zeitalter des Mikroplastik!“
09.10.2024
Dr. Marlene Waske, Ethik-Analystin Arete / Foto: © Ethik Invest AG
Doch auch in unserem Universum finden sich Titel, die im Brand Report der BFFP-Initiative genannt werden, wie beispielsweise Unilever. Doch die holistische Betrachtung zeigt erfreulich auf: Unilever Marken sind PETA-zertifiziert, der Konzern unterstützt Initiativen, um Tierversuche zu stoppen und schneidet als einer der größten Einkäufer von Palmöl in der „Palm oil buyers scorecard“ des WWF außerordentlich gut ab.
Der BUND dokumentiert darüber hinaus die Fortschritte, die Unternehmen seit 2014 hinsichtlich ihrer Versprechen zur Elimination von Mikroplastik gemacht haben. Auch hier findet sich Unilever, daneben Colgate-Palmolive, Procter & Gamble sowie Beiersdorf und L’Oreal. Alle Unternehmen wurden von Arete analysiert, einige schafften es gerade über die minimale Hürde von 50 Punkten in der Bewertung als „vertretbar“, keines konnte eine positive oder gar hochwertige Bewertung erreichen. Dennoch wurden die Titel ins Anlageuniversum aufgenommen. Hat unsere Methode versagt?
Abwägungskriterien realistisch einsetzen – messbare Fortschritte belohnen
Sicher würden wir uns beim Thema Mikroplastik ein noch viel größeres strategisches Engagement dieser Unternehmen wünschen. Doch bei genauerem Hinsehen zeigt sich auch: Hinsichtlich der Emissionen von Treibhausgasen gelten alle diese Unternehmen als Outperformer (ISS ESG)⁴; alle haben Ziele, die von der Science Based Targets Initiative genehmigt wurden; alle sind hinsichtlich ihrer Treibhausgasintensitäten (d. h. hinsichtlich der ausgestoßenen Tonnen CO2 im Verhältnis zum Umsatz) um ein Vielfaches besser aufgestellt als vergleichbare Unternehmen. Alle sind schon heute mit dem 1,5-Grad-Ziel von Paris aligniert. Erstellt man ein Portfolio dieser Unternehmen, so stellt man fest, dass sich das Portfolio im Vergleich zum Vorjahr hinsichtlich der so genannten PAIs (Principal Adverse Impact), also der von der EU definierten „wichtigsten nachteiligen Nachhaltigkeitsauswirkungen“ in fast allen Indikatoren, ökologisch und sozial, verbessert hat.
Können diese Faktoren kompensieren, dass diese Unternehmen durch Mikroplastik die Umwelt nachhaltig negativ beeinflussen? Nein!
Doch die Auswertung des BUND zeigt, dass die Unternehmen im Bereich Mikroplastik Fortschritte machen, auch wenn sie zum Teil noch einen weiten Weg vor sich haben werden. Und es zeigt auch, dass Unternehmen in der Lage sind, in die richtige Richtung zu gehen. Durch überzeugendes und andauerndes Engagement kann man als Investor helfen, diesen Weg zu unterstützen. Auch wenn es sich zuweilen so anfühlt, als müsste man einem Elefanten das Tanzen beibringen: Immer wieder aufgreifen, immer wieder Engagement, immer wieder einfordern.
Was bleibt?
Bei genauerem Hinsehen fällt auf, dass unter den größten Plastikemittenten, die von BFFP identifiziert worden sind, ausschließlich Unternehmen des sogenannten Fast Moving Consumer Goods (FMCG) Sektors – zu Deutsch: Schnelldreher – zu finden sind. Dies sind Unternehmen, die Produkte verkaufen, die regelmäßig gekauft, aufgebraucht und wieder neu gekauft werden (müssen). In ärmeren Regionen der Welt haben die Menschen zudem oft nur genügend Geld, um täglich das Notwendigste einzukaufen –in kleinstmöglichen Abpackungen, oft aus Plastik oder Verbundstoffen. Und auch in den Industrieländern ist die limitierte Ladenfläche im Handel ein entscheidender Faktor. Um Umsätze zu steigern können entweder die Preise erhöht werden oder die vorhandene Verkaufsfläche besser genutzt werden – durch eine hohe „Warenrotation“, also kaufen, aufbrauchen, neu kaufen und das alles so schnell wie möglich. Oft kaufen wir, ohne groß darüber nachzudenken, denn kleinste Packungen sind praktisch, ermöglichen den Kauf nach Bedarf statt auf Vorrat und kosten uns gefühlt wenig. Doch unsere Enkel kostet es vielleicht die Zukunft. Wollen wir wirklich, dass sie Strände mit Schildkröten und Palmen statt mit Cola Flaschen und Plastiktüten nur noch aus Bildern kennen? So wie wir die Zeit, „in der wir Dinge, die kaputt gegangen waren, reparierten, anstatt sie wegzuwerfen“ nur aus den Erzählungen unsere Großeltern kennen.
Dr. Marlene Waske,
Ethik-Analystin
Arete Ethik Invest AG
¹ W
hat is a circular economy?
| Ellen MacArthur
Foundation
(www.ellenmacarthurfoundation.org)
² Engaging on plastic packaging | Engagement guide | PRI (unpri.org)
³ Facing_Finance_Beneath_The_Surface_2024.pdf (facing-finance.org)
⁴ ISS ESG verfügt über international anerkanntes Fachwissen in sämtlichen Bereichen rund um das nachhaltige und verantwortungsvolle Investment. Hierzu zählen Themen wie Klimawandel, UN SDGs, Biodiversität, Menschenrechte, Arbeitsstandards, Korruption, kontroverse Waffen und vieles mehr