Verjährung von Schadensersatzansprüchen wegen Falschberatung

19.06.2024

Rechtsanwalt Jens Reichow. Foto: Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte

Schadensersatzansprüche wegen Beratungspflichtverletzung sind verjährt

Das OLG Zweibrücken wies die Berufung eines Versicherungsnehmers aufgrund der Verjährung von Schadensersatzansprüchen wegen Falschberatung zurück. Dabei ging das OLG Zweibrücken vorliegend zwar von einer Falschberatung aus, jedoch sei der Anspruch verjährt.

Schadensersatzpflicht wegen Falschberatung

Das OLG Zweibrücken entschied, dass der Versicherer wegen einer Falschberatung grundsätzlich zum Schadensersatz verpflichtet wäre. Die Besonderheiten einer Altersvorsorge, das heißt, der Ausschluss der Kündbarkeit, Kapitalisierbarkeit und Vererbbarkeit, sind dem Versicherungsnehmer grundsätzlich mitzuteilen. Dabei handelt es sich um Spezifika, die von üblichen Altersvorsorge-Versicherungsprodukten abweichen und die für den Versicherungsnehmer wesentlich und entscheidungserheblich sind.

Der Beratungsdokumentation ließ sich hier nicht entnehmen, dass dem Versicherungsnehmer die Besonderheiten der abgeschlossenen Rentenversicherung genannt wurden (siehe hierzu die Dokumentationspflichten des Versicherungsvermittlers). Die Beweislast für den behaupteten Beratungsfehler ist hier auf den Versicherer übergegangen (siehe auch BGH: Umkehr der Beweislast bei fehlender oder unvollständiger Dokumentation). Der Versicherer konnte vorliegend nicht nachweisen, dass er seine Beratungspflicht nachgekommen ist.

Verjährungsbeginn von Schadensersatzansprüchen bei Vertragsschluss

Der Schadensersatzanspruch des Versicherungsnehmers ist vorliegend jedoch verjährt. Der durch eine Falschberatung entstandene Schadensersatzanspruch unterliegt der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren. Diese ist hier am 31.12.2016 verstrichen.

Der Versicherungsnehmer war der Auffassung, die Verjährungsfrist beginne erst zu laufen, wenn er Kenntnis von den Besonderheiten der abgeschlossenen Rente erlangt habe. Gemäß § 199 Abs. 1 BGB beginnt die Verjährungsfrist jedoch mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger – hier der Versicherungsnehmer – von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt. Für den Verjährungsbeginn bedarf es daher der Kenntnis von der Person des Schädigers, von der Pflichtverletzung oder einer gleichstehenden Handlung, vom Eintritt des Schadens und der Kenntnis der eigenen Schadenbetroffenheit. Die grob fahrlässige Unkenntnis steht der Kenntnis gleich (vgl. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Unerheblich ist hingegen, ob der Geschädigte die Rechtswidrigkeit des Geschehens, das Verschulden des Schädigers und / oder den maßgeblichen Kausalverlauf richtig einschätzt.

Grob fahrlässig handelt der Versicherungsnehmer, wenn er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich großem Maße außer Acht lässt. Das Verhalten des Versicherungsnehmers sei hier indes als grob fahrlässig zu bewerten. Der Versicherungsnehmer hätte die Nachteile der abgeschlossenen Versicherung (fehlende Kündbarkeit, fehlende Kapitalisierbarkeit, fehlende Vererbbarkeit) ohne größeren Aufwand dem Versicherungsschein entnehmen können, so das OLG Zweibrücken. Die im Versicherungsschein leicht zugänglich gemachten Informationen über die Spezifika der abgeschlossenen Versicherung unbeachtet zu lassen, stellt ein erhebliches Verschulden des Versicherungsnehmers gegen sich selbst dar. Die fehlende Kenntnisnahme dieser Informationen ist daher grob fahrlässig.

Fazit und Hinweise

Im Zusammenhang mit der Falschberatung bei Basisrentenversicherungsverträgen kommt es immer wieder zu juristischen Auseinandersetzungen, ob der Versicherungsvermittler den Versicherungsnehmer ordnungsgemäß über die fehlende Kündbarkeit und Vererbbarkeit aufgeklärt hat. Mit dieser Fragestellung hatte sich zuvor bereits das OLG Karlsruhe zu befassen (siehe hierzu OLG Karlsruhe: Geeignetheit einer Rürup-Rente) und auch Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte haben in der Vergangenheit vergleichbare Verfahren begleitet (siehe hierzu AG Hannover weist Klage in Vermittlerhaftungsverfahren ab und LG Lübeck wehrt Haftung des Versicherungsmaklers ab). Mit seiner Entscheidung zur Verjährung von Schadensersatzansprüchen wegen Falschberatung vereinfacht es das OLG Zweibrücken jetzt für Versicherer und Versicherungsvermittler sich gegen solche Forderungen zu wehren.

Gleichwohl bedarf es stets einer genauen Prüfung des Einzelfalles, ob es tatsächlich zu einer Verjährung von Schadensersatzansprüchen wegen Falschberatung gekommen ist. Daher kann es durchaus sinnvoll sein, sich bei rechtlichen Fragen oder Problemen durch einen im Versicherungsrecht spezialisierten Rechtsanwalt beraten zu lassen. Gerne stehen hierfür auch Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte zur Verfügung. Weitere Informationen finden Sie auch unter: Haftung und Beweislast für Beratungsfehler bei Vermittlung einer Versicherung

Ein Gastbeitrag von Jens Reichow, Rechtsanwalt und Partner der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow.