V – Erholung, WW – Volatilität oder L – Stagnation?

15.04.2020

Jean-Marie Mercadal, Chefanlagestratege bei OFI Asset Management / Foto: © OFI

Was bedeutet das für die Anleihemärkte?

Wir gehen weder in den USA noch in der Eurozone von weiteren Zinssenkungen aus. Die Fed hat klar ausgedrückt, dass sie die Zinsen nicht in den negativen Bereich drücken möchte. Unter diesen Bedingungen dürfte sich die Rendite der 10-jährigen US-Staatsanleihen über einen längeren Zeitraum bei etwa 0,50 % stabilisieren. Die Europäische Zentralbank scheint auch nicht zu beabsichtigen, das Niveau der Leitzinsen zu ändern. Die Renditen für 10-jährige Bundesanleihen sollte daher nicht viel weiter als auf -0,50 % fallen.

Gleichzeitig haben sich die Spreads aufgrund der Aussichten auf eine Rezession und vor allem aufgrund fehlender Liquidität in der Eurozone dramatisch ausgeweitet: um 150 Basispunkte bei Investment-Grade-Anleihen und um fast 700 Basispunkte bei Hochzinsanleihen (Quelle: Index BOFA ML für Investment-Grade und BOA ML für High Yield). Dies bedeutet, dass die Rendite von Investment-Grade-Anleihen in der Eurozone nahe 2 % für die lange Laufzeit und bei 1,6 % für Anleihen mit einer Laufzeit von 1-3 Jahren liegt.

Die Renditen von Euro Hochzinsanleihen liegt bei fast 9 %, was eine implizite Ausfallrate von 50 % in den nächsten fünf Jahr bedeutet. Das gab es noch nie. Historisch gesehen lag die Ausfallrate zwischen 20 % und 30 %, wenn der Spread 800 Basispunkte überschritten hat. Die einzige Ausnahme waren die Jahre nach dem Platzen der Technologieblase 2000. Aber damals gab es viele neue Unternehmen, die zudem in ihrem Sektor überrepräsentiert waren. Bei ausreichender Liquidität raten wir ab sofort zum Investment in diese Anlageklasse – Voraussetzung ist, dass man die Titel halten kann und nicht später zum Verkauf gezwungen wird.

Genauso sanken Schwellenländeranleihen deutlich, insbesondere die in lokaler Währung. Sie wurden durch den Preisrückgang der Hauptwährungen um 15-25 % beeinträchtigt. Einige davon waren auch besonders vom Verfall des Ölpreises betroffen. Auch in diesem Segment beginnen die Kurse wieder attraktiv zu werden, wobei ein großer Teil der schlechten Nachrichten bereits eingepreist ist. Der Markt für Schwellenländer-Staatsanleihen scheint im Vergleich zu denen der westlichen Welt recht liquide zu sein und bietet derzeit Renditen von 6-7 % bei 4-5-jährigen Laufzeiten. Die impliziten Ausfallraten für Staatsanleihen von Schwellenländern sind etwas gestiegen, bleiben aber immer noch niedrig, wenn wir uns die CDS der Staaten ansehen. Die impliziten Ausfallraten haben sich in einigen Frontiermärkten, die sich in USD verschuldet haben, jedoch stark erhöht.“ (ah)