„… und wieder schaut der Anleger in die Röhre?“

14.08.2020

Marvin Kewe, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht TILP Rechtsanwaltsgesellschaft mbH/ Foto: © TILP

Am 18. Juni 2020 folgte die nächste Schockmeldung für die Anleger. Mittels Ad-hoc-Mitteilung wurde bekannt, der Abschlussprüfer habe Wirecard darüber informiert, dass über die Existenz von im Konzernabschluss zu konsolidierenden Bankguthaben auf Treuhandkonten in Höhe von insgesamt 1,9 Mrd. Euro (dies entspricht in etwa einem Viertel der Konzernbilanzsumme) noch keine ausreichenden Prüfungsnachweise zu erlangen waren. Es bestünden weiterhin Hinweise darauf, dass unrichtige Saldenbestätigungen zu Täuschungszwecken vorgelegt wurde. Die Veröffentlichung des Jahres- und Konzernabschlusses 2019 wurde verschoben. Am 25.06.2020 stellte der Vorstand der Wirecard AG einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beim Amtsgericht München.

Vielfach mit Entsetzen und ungläubigem Staunen haben die Aktionäre, Anleihegläubiger, Kunden, die beteiligten Banken und natürlich auch die rund 5.000 Mitarbeiter von Wirecard die Vorgänge in Aschheim zur Kenntnis genommen. Erstmalig in der jüngeren Börsengeschichte Deutschlands löst sich ein DAX-Unternehmen quasi in Schall und Rauch auf. Natürlich verbleiben Fragen und die aktuelle Presseberichterstattung wirft ein nicht so vorteilhaftes Licht auf viele Beteiligte.

Was wird aus dem Geld, das einst in Aktien angelegt wurde?

Derzeit finden sich vielfache Veröffentlichungen zur Frage, welche Möglichkeiten den Aktionären nun bleiben. Dabei sind zuvorderst unterschiedliche Handlungsmöglichkeiten zu unterscheiden.

• Nach heutigem Stand der Dinge ist davon auszugehen, dass das (derzeit vorläufige) Insolvenzverfahren auch eröffnet wird. So bleibt die Frage, ob auch den Aktionären der Weg eröffnet ist, im Insolvenzverfahren Forderungen anzumelden? Diese Frage wird von einigen Medien (vorschnell) verneint.

• Auch Aktionäre können (normale) Insolvenzgläubiger im Sinne des § 38 InsO oder nachrangige Insolvenzgläubiger im Sinne des § 39 InsO sein. Die Frage ist also oftmals nur, welchen Rang die angemeldete Forderung des Aktionärs erhält. Abgesehen davon ist Voraussetzung für den Schadensersatzanspruch wegen Verletzung von Ad-hoc-Pflichten im Übrigen auch nicht, dass der Geschädigte die Aktien noch hält – der Anspruchsinhaber ist daher nicht zwangsläufig „Aktionär“.

• Eine (erfolgreiche) Forderungsanmeldung setzt aber insoweit voraus, dass der Kursdifferenzschaden geltend gemacht wird. Also der Schaden, der den Unterschiedsbetrag zwischen dem tatsächlich gezahlten Kaufpreis und dem hypothetischen Kurs ausmacht, den das Wertpapier gehabt hätte, wenn die verspätete oder unterlassene Ad-hoc-Mitteilung rechtzeitig bzw. überhaupt veröffentlicht worden wäre.

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