„… und wieder schaut der Anleger in die Röhre?“
14.08.2020
Marvin Kewe, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht TILP Rechtsanwaltsgesellschaft mbH/ Foto: © TILP
Die Wirecard AG ist ein 1999 als Start-up gegründetes börsennotiertes deutsches Zahlungsdienstleistungsunternehmen mit Sitz in Aschheim bei München und bietet Lösungen für den elektronischen Zahlungsverkehr, das Risikomanagement sowie die Herausgabe und Akzeptanz von Kreditkarten an. Der Erfolg von Wirecard zeigte sich letztendlich auch im jahrelangen Höhenflug des Aktienkurses. Das Unternehmen ist derzeit im DAX notiert und stellte am 25.06.2020 einen Insolvenzantrag. Nach einem Höchststand von gut 197 Euro im Jahr 2018 notiert die Aktie Mitte Juli 2020 nur noch um die 2 Euro.
Dieser Beitrag befasst sich in der gebotenen Kürze mit der Chronologie der Ereignisse und mit den Handlungsoptionen derer, die ihr Geld in Wirecard investiert haben.
Was ist passiert?
Die Wirecard AG (Wirecard) sieht sich seit Jahren Vorwürfen ausgesetzt, die Bilanzen nicht ordnungsgemäß auszuweisen bzw. diese zu fälschen. Neue und massive Vorwürfe hat ab Anfang 2019 insbesondere die britische Tageszeitung Financial Times erhoben. Fingierte Umsätze (Third Party Acquiring), überhöhte Kaufpreise von Gesellschaften zur Bereicherung von Managern, falsch ausgewiesene Kredite (MCA-Geschäft) und Kreislaufbuchungen (Round-Tripping) über Gesellschaften in den Vereinigten Arabischen Emiraten, den Philippinen und Singapur bilden nur einen Teil der gegen Wirecard gerichteten Vorwürfe. Infolge dieser in der Öffentlichkeit erhobenen Vorwürfe von Unregelmäßigkeiten und fragwürdigen Transaktionen verzeichnete die Wirecard-Aktie wiederholt erhebliche Kursverluste. Wirecard stritt die Vorwürfe in der Öffentlichkeit regelmäßig ab. Der Zahlungsdienstleister gab aufgrund der anhaltenden Kritik aber auch eine unabhängige Untersuchung nebst Sondergutachten bei KPMG in Auftrag. Das Sondergutachten, so Wirecard, sollte sämtliche erhobenen Vorwürfe umfassend und unabhängig aufklären. Als das Sondergutachten schließlich Ende April 2020 veröffentlicht wurde, brach der Kurs der Wirecard-Aktie ein. Denn anders als es im Markt erwartet wurde, ergibt sich daraus, dass die Vorwürfe nicht vollumfänglich ausgeräumt werden konnten. Die unabhängigen Prüfer gaben vielmehr zu Protokoll, dass sie nicht alle Unterlagen einsehen konnten, sie sprechen von einem „Untersuchungshemmnis“.
KPMG konnte z. B. keine fundierten Aussagen zur Höhe und Existenz von Umsatzerlösen aus sog. TPA-Geschäftsbeziehungen treffen. Begründet wurde dies mit Mängeln in der internen Organisation bei Wirecard sowie der fehlenden Bereitschaft von Partnerfirmen, umfassend und transparent mitzuwirken. Auch Zahlungen in Höhe von einer Milliarde Euro auf Treuhandkonten konnten nicht gänzlich nachvollzogen werden.
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