„Trotz mancher Schwierigkeit gibt es keinen Grund, schwarz zu sehen“

10.07.2018

Uwe Burkert, Chefvolkswirt LBBW / Foto: © LBBW

Italien als Blaupause für den Rest Europas?

Viele etablierte Parteien finden auch die drängenden Fragen der heutigen Zeit, besonders die Migrationspolitik und der Umgang mit der Globalisierung, keine Antworten mehr, die die Mehrheit der Bürger zufrieden stellt. Entsprechend gewinnen populistische Parteien in ganz Europa immer mehr an Bedeutung. „Entsprechende Tendenzen sind in fast allen westlichen Ländern erkennbar“, mahnt Uwe Burkert. So wären der zunehmende Protektionismus und die Rückkehr zum Nationalstaat bereits erste Anzeichen und Konsequenzen des Bedeutungsgewinns populistischer Parteien. Dennoch sieht der LBBW-Chefvolkswirt keine Grund zur Panik: Seit der Eurokrise hätten sich in Europa einige fundamentale Kennziffern durchaus verbessert und auch bei den Leistungsbilanzen sei eine Trendwende erreicht worden. „Es gibt kein PIIGS mehr. Vier der fünf Peripherieländer haben im vergangen Jahr einen Überschuss generiert. Uns selbst Griechenland lag nur noch leicht im Minus“, sieht Burkert einen Hoffnungsschimmer.

„Handelsstreit wird nicht eskalieren“

Auch bezüglich des von Donald Trump angedrohten Handelskriegs zwischen den USA und der EU warnt Uwe Burkert vor allzu großer Panik. So fühlten sich die Amerikaner aufgrund ihres Wirtschafswachstums zwar stark genug, dass sie die Konsequenzen des Handelsstreits verkraften könnten. Dennoch sei nicht die EU, sondern eher China der Hauptgegner im Handelskonflikt. Der Grund sei vor allem geopolitischer Natur, da China die globale Führungsrolle der USA immer mehr in Frage stelle. Somit dürfte den USA eine Einigung mit Europa deutlich leichter fallen als mit Europa. Zudem brauche Donald Trump angesichts der im November anstehenden Mid-Term Elections einen sichtbaren Erfolg und dürfte deshalb eine nachhaltige Beschädigung der Wirtschaft vermeiden wollen. Wie groß die Differenzen zwischen Worten und Taten im Handelsstreit seien, zeige sich daran, dass von ursprünglich angedrohten Zöllen auf chinesische Waren im Volumen von 150 Mrd. Dollar im konkreten Vorschlag des US-Handelsbeauftragten nur noch ein Drittel übrig geblieben sei. „Mittelfristig dürfte eine Verhandlungslösung erzielt werden, die Präsident Trump als „grandiosen Erfolg“ verkaufen wird“, mutmaßt Burkert.

Dollar dürfte an Wert gewinnen

Bis Februar hatte der US-Dollar gegenüber dem Euro abgewertet. Die LBBW-Experten rechnen nun damit, dass sich die Situation umkehren wird und der Dollar an Wert gewinnen dürfte. Uwe Burkert rechnet damit, dass im zweiten Halbjahr die Börsenweisheit „Starke Wirtschaft, starke Währung“ wieder gelten wird. Diese hatten Devisenhändler zwischen November und April außer Acht gelassen. „Nach unserer Prognose wird die US-Wirtschaft im laufenden Jahr mit einer Rate von fast 3 % zulegen und damit den Euroraum hinter sich lassen“, erläutert der LBBW-Chefvolkswirt, der zudem erwartet, dass sich die US-Steuerreform positiv auf die Währung auswirken wird. Gleichzeitig dürfte die politische Unsicherheit in Europa für eine Abwertung des Euro sorgen. Für das Jahresende erwarten die LBBW-Analysten, dass der Wechselkurs bei 1,12 Dollar je Euro liegen wird. Diesen Wert hatten sich bereits im vergangenen Jahr prognostiziert.

Aktien schlagen Bonds

Der Aktienmarkt dürfte von der aktuellen Zinsentwicklung profitieren. So rechnen die LBBW-Analysten für zehnjährige Bundesanleihen mit einer Rendite von gerade einmal 0,6 %. Deshalb würden Anleger vermehrt auf Aktien setzen, die somit gute Chancen hätten, sich im zweiten Halbjahr erfolgreich zu positionieren. Für das Ende des Jahres wird erwartet, dass der Dow Jones bei 27.000 Punkten liegen wird, womit die Prognose vom Jahresanfang bestätigt wird. Der DAX dürfte zum Jahresende 14.000 Punkte zählen. Anlässlich des 30. Geburtstages des DAX wagten die Analysten zudem eine Prognose für die weitere Zukunft: Wenn die bisherige Entwicklung so weiter geht, dürfte der DAX am Ende der 2040er Jahre mehr ca. 180.000 Zähler haben – was auch eine deutliche Veränderung der Betrachtung mit sich bringen dürfte. „Wir müssen uns in Zukunft an ganz andere Zahlen gewöhnen. Irgendwann wird ein Absturz um 1.000 Punkte innerhalb eines Tages völlig normal sein“, erklärt Uwe Burkert.

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