„Substanziell gute Unternehmen“

10.05.2023

Andreas Wosol, Head of Value und Senior Portfolio Manager bei Amundi Asset Management

Wachstumswerte schienen lange Zeit unangefochten. Spätestens mit der Zinswende änderte sich die Situation. Value war auf einmal wieder angesagt. Zu den Hintergründen und dem Definitionsverständnis sprach finanzwelt mit Andreas Wosol, Head of Value und Senior Portfolio Manager bei Amundi Asset Management.

finanzwelt: Lange Zeit abgeschrieben ist Value seit mehr als einem Jahr wieder ein Thema. Hält der Rückenwind weiter an?

Andreas Wosol» Zunächst einmal sei erwähnt, dass Value Investing in der historischen Rückschau der zurückliegenden Jahrzehnte keineswegs so schlecht performte wie oftmals kolportiert. In den Jahren des Niedrigzinses waren es zweifellos eher die Wachstumsaktien, die im Fokus der Investoren standen und durch ihre Wertentwicklungen überzeugten. Doch die Fokussierung auf das Timing greift an dieser Stelle viel zu kurz und ist irreführend.

finanzwelt: Wie meinen Sie das, Herr Wosol?

Wosol» Ich bin der Ansicht, dass es kein perfektes Value-Timing gibt. Im Gegenteil: Opportunitäten/Handlungsoptionen ergeben sich immer. Oftmals wird eine quantitative Sichtweise des Value-Begriffes verwendet, die im Kern niedrige Kurse pauschal mit einer Unterbewertung gleichsetzt. Das ist ein Irrglaube und führt in der Sache nicht weiter. Vielmehr liegt Value eine breit gefasste Investmentphilosophie zugrunde, die sich mit dem inneren Wert eines Unternehmens beschäftigt.

finanzwelt: Aber die steigenden Zinsen sind schon ein Argument?

Wosol» Die insbesondere im vergangenen Jahr einsetzende Trendwende am Finanzmarkt, unter anderem durch die steigenden Zinsen, hat Value Investing wieder attraktiver gemacht. Aber ich möchte gerne noch einen anderen, wesentlichen Aspekt ansprechen, der in vielen Diskussionen oftmals zu kurz kommt.

finanzwelt: Bitte führen Sie das aus.

Wosol» Die Vereinfachung von Growth und New Economy oder Long-Duration-Assets auf der einen, und Value bzw. Old Economy oder Short-Duration-Assets auf der anderen Seite. Auch das ist nach unserem Definitionsverständnis nicht zielführend. „Value“ und „Growth“ stehen sich nicht diametral gegenüber und sind nicht unvereinbar. So erlaubt es unser Value-Verständnis, auch selektiv direkten Zugang zur New Economy oder säkularen Trends wie beispielsweise Digitalisierung zu finden.

finanzwelt: Das bedeutet, es gibt für Sie Überlappungen/Überschneidungen beider Investmentphilosophien?

Wosol» Absolut. Wir tätigen Investitionen in Unternehmen, die uns aufgrund eines Bündels an Faktoren nachhaltig überzeugen. Die Fokussierung auf den Preis bzw. niedrigen Kurs greift zu kurz. So können wir nach gründlicher Analyse und Abwägung auch mal einen eher klassischen Wachstumstitel mit ins Portfolio aufnehmen. Und mit dieser Investmentphilosophie sind wir in den vergangenen 15 Jahren vergleichsweise gut gefahren.

finanzwelt: Sie sind für das Management der Value-Strategien verantwortlich, einschließlich des Amundi Funds - European Equity Value. Wie filtern Sie aus?

Wosol» Im Kern geht es darum, substanziell gute Unternehmen, also jene mit nachhaltiger Ertragskraft, zu finden. Sobald wir ein entsprechendes Geschäftsmodell identifiziert haben, geht es um die Ermittlung des intrinsischen Werts. Dem Value-Verständnis folgend investieren wir nur, wenn es einen Abschlag auf den inneren Wert gibt. Daneben, und auch das unterscheidet uns von Wettbewerbern, setzen wir einen Gleichgewichtungsansatz an. Zwecks Diversifikation investieren wir in der Regel in ein konzentriertes Portfolio von rund 40 Aktien. Das Rebalancing ist hierbei variabel, aber nicht zeitpunktabhängig. (ah)