Strafzinsen sind erst der Anfang

11.11.2019

Markus Richert, CFP® und Seniorberater Vermögensverwaltung bei der Portfolio Concept Vermögensmanagement GmbH in Köln / Foto: © Portfolio Concept

Ihr konventionelles Pulver hat die Notenbank verschossen

Dabei ist Entspannung nicht in Sicht. Ganz im Gegenteil. Draghis Nachfolgerin im Amt der EZB Präsidentin, die Französin Christine Lagarde, betonte bereits mehrmals das sie den Kurs ihres Vorgängers fortsetzen wird. Ihr Ziel ist es, die Konjunktur im Euroraum zu stützen. Dabei scheut sie sich auch nicht, innovative Maßnahmen zu ergreifen. Denn das konventionelle Pulver hat die Notenbank unter Draghi längst verschossen. Milliardenschwere Aktienkäufe der EZB, Helikoptergeld oder eine Strafsteuer auf Bargeld sind Stichworte, mit denen sie häufig in Zusammenhang gebracht wird. Vor allem das Bargeld ist so manchem in der EZB ein Dorn im Auge. Denn damit kann man sich noch der Geldpolitik der Notenbank entziehen. Wer sein Geldvermögen unter das heimische Kopfkissen steckt, verliert auch bei Strafzinsen nichts. Als Lösung empfehlen Experten der EZB, Bargeld möglichst unbeliebt zu machen und elektronische Zahlungssysteme zu fördern.

Fast jedes zweite Institut denkt über Strafzinsen nach

Experten sind sich mittlerweile einig, auch der einfache „Otto-Normalsparer“ wird mit hoher Wahrscheinlichkeit sehr bald Strafzinsen zahlen müssen. Die anfängliche Scheu der Banken ist verflogen. Bei vielen Instituten geht es mittlerweile um das eigene Überleben. Zwar sind nach Ansicht von Verbraucherschützern Negativzinsen auf Kontoguthaben von Privatleuten mit bestehenden Verträgen gesetzeswidrig. In diesem Fall werden die Banken jedoch bestehende Verträge einfach kündigen oder die sonstigen Gebühren massiv erhöhen. Denn für Neuverträge, das ist rechtlich unumstritten, sind Strafzinsen möglich. Sollte das Zinsniveau noch tiefer ins Minus rutschen, dann wäre fast jedes zweite Institut bereit, Strafzinsen für Kleinsparer einzuführen.

Willkommen in der Welt ohne Zinsen

Eine Welt ohne Zinsen ist für viele konservative Anleger ein Problem. Denn wer regelmäßige Kapitalerträge sucht, findet kaum mehr Anlagemöglichkeiten. Die Zeiten, als man für eine fünfjährige Bundesanleihe mehr als vier Prozent Zinsen erhalten hat, sind endgültig und für lange Zeit vorbei. Die erste Devise für Sparer muss es deshalb sein, einen Großteil des Ersparten vom Giro- und Tagesgeldkonto wegzuschaffen. Lediglich ein Betrag von etwa drei bis vier Nettomonatseinkommen sollte auf einem zinsneutralen Giro- und Tagesgeldkonto als Notfallreserve verbleiben. Als zweiten Schritt sollte man sich einen Liquiditätsplan für die nächsten Jahre erstellen. Damit kann man abschätzen wieviel freie Liquidität man wann wirklich braucht. Sei es die Anschaffung eines neuen PKW, die Sondertilgung für die Immobilie oder die finanzielle Unterstützung der studierenden Kinder.

Niedrigzinsen sorgen für steigende Vermögenspreise

Darauf aufbauend kann dann die Investitionsentscheidung getroffen werden. Anlegern muss klar sein, für Rendite muss man höhere Risiken eingehen und in Sachwerte wie Immobilien oder Aktien investieren. Denn so schmerzhaft die fallenden Zinsen für viele sind, es ist einer der Haupttreiber der steigenden Vermögenspreise. Vor allem die Preise für Immobilien, Aktien und Betriebsvermögen sind in den vergangenen Jahren, auch aufgrund der Niedrigzinspolitik der Notenbanken, massiv angestiegen. Wer davon profitieren will, muss sich bewegen und selber aktiv werden. Jedem sollte bewusst sein, „3-6-3 ist vorbei“ – nicht nur für die Banker.

Kolumne von Markus Richert, CFP® und Seniorberater Vermögensverwaltung bei der Portfolio Concept Vermögensmanagement GmbH in Köln