Stellungnahme des AfW - Bundesverband Finanzdienstleistung e. V.
17.01.2023
Norman Wirth, geschäftsführender Vorstand Bundesverband Finanzdienstleistungen AfW e.V. / Foto: © AfW
Wir begrüßen ausdrücklich, dass von der ursprünglich im BaFin-Jahresbericht 2021 für die zweite Jahreshälfte 2022 angekündigten Veröffentlichung eines Rundschreibens mit Aufsichtsstandards für die kapitalbildenden Lebensversicherungsprodukte, Abstand genommen wurde.
Ein solches Rundschreiben hätte einen derart erheblichen, regulatorischen Markteingriff bedeutet, dass hierfür aus unserer Sicht eindeutig eine konkrete gesetzliche Grundlage erforderlich gewesen wäre. Da sich die jetzige Regierung zudem im Rahmen der Koalitionsverhandlungen klar gegen einen Provisionsdeckel (oder -richtwert) ausgesprochen hat, wäre ein derartiger marktfremder Eingriff in die Vergütungsstrukturen ein bewusstes Handeln gegen den Willen des Gesetzgebers und voraussichtlich verfassungswidrig gewesen
Kritikpunkte am Entwurf
Aber auch mit dem vorliegenden Entwurf eines Merkblattes setzt sich die BaFin über den Willen der jetzigen Regierung, keinen Eingriff in die Vergütung bei der Vermittlung von Lebensversicherungen vorzunehmen, hinweg. Es werden erhebliche Vorgaben für die Struktur der Vermittlervergütung gemacht, welche über bereits bestehende gesetzliche Regelungen hinausgehen.
Der BaFin obliegt grundsätzlich nicht die Aufsicht für die unabhängigen Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler, also Versicherungsmaklerinnen und -makler. Diese liegt bei den IHKen. Nichtsdestotrotz erfolgt mit nahezu normsetzenden Regelungen, wie sie das BaFin-Merkblatt vorsieht, ein Eingriff in deren Vergütungsstrukturen, quasi durch die Hintertür.
Der Entwurf betrachtet nur drei Faktoren (Renditeerwartung, Kosten, Inflation), die sich auf den Kundennutzen des jeweiligen Produktes auswirken. Der Nutzen von betroffenen Produkten, welche auch biometrische Absicherungen (z.B. Todesfallschutz) beinhalten, wird im Rahmen des Merkblatts explizit nicht betrachtet. Ein Hinterbliebenenschutz im Tarif wird entsprechend nur einseitig als renditemindernd bewertet. Mit diesem Ansatz werden sinnvolle biometrische Absicherungen in Tarifen verdrängt. Das ist nicht im Sinne der Kunden und übersieht, dass ein Versicherungsprodukt oft mehr ist als ein reines Sparprodukt.
Zudem werden bei der Betrachtung von Renditeerwartungen auch keine Garantien berücksichtigt, welche aber ein wichtiges Wesensmerkmal der Versicherungen darstellt.
Das BaFin-Merkblatt geht über die seitens der EIOPA aufgestellte Methodik zu „value-for-money“ hinaus. Die EIOPA hat am 31. Oktober 2022 ihren methodischen Ansatz zur Beaufsichtigung des Produktentwicklungsprozess für fondsgebundenen Lebensversicherungen veröffentlicht. Die EIOPA bezieht sich nur auf FLV, der Entwurf des Merkblattes bezieht sich hingegen auch auf klassische Lebensversicherungsprodukte. Ein deutscher Sonderweg ist klar abzulehnen, insbesondere auch, da er auf europäischer Ebene wettbewerbsverzerrend ist und den deutschen Markt klar benachteiligt!
Bei der Sicherstellung des Kundennutzens bezieht sich der Entwurf des Merkblatts auch auf den Fall der frühzeitigen Stornierung von kapitalbildenden Lebensversicherungen. Aber selbst laut EIOPA muss ein Verbraucher beim frühzeitigen Storno vernünftigerweise von einem Verlust ausgehen.
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