Sonne, Regen oder ein Mix aus beidem?

19.06.2024

(v.l.n.r.) Felix Herrmann, Chefvolkswirt, ARAMEA Asset Management AG, Uwe Eilers, Vorstand, FV Frankfurter Vermögen AG und Maximilian Kreitlmeier, Teamleiter Portfoliomanagement und Analyse Investment, Fonds Finanz Maklerservice GmbH

finanzwelt: Herr Herrmann, Sie haben die volkswirtschaftlichen Entwicklungen rund um den Globus im Blick. China, einst Outperformer, hinkte sehr lange zurück und hatte mit vielen Problemen zu kämpfen. Wie verorten Sie das Land im Frühsommer 2024?

Herrmann» Chinas Wirtschaft durchläuft gerade einen enormen strukturellen Wandel. Das alte Wachstumsmodell, welches vor allem durch die Expansion im Immobiliensektor gestützt wurde, funktioniert nicht mehr. Die schrumpfende Erwerbsbevölkerung senkt ebenfalls das Wachstumspotenzial. Zu dem strukturellen Gegenwind kommen aber auch konjunkturelle Faktoren hinzu, die das Wachstum hemmen. Die Chinesen halten sich beim Konsum stark zurück, so dass die Preise in China kaum mehr steigen. Das Wachstum Chinas wird aus meiner Sicht in der kurzen Frist stark davon abhängen, ob und wie stark die Regierung gewillt ist, dem Konsumenten unter die Arme zu greifen. Aufgrund der hohen gesamtwirtschaftlichen Schulden sind hier aber auch Grenzen gesetzt, so dass ich für Chinas ökonomische Zukunft nur bedingt optimistisch bin.

finanzwelt: Wie bewerten Sie aktuell das Chance-Risiko-Profil von europäischen Aktien?

Eilers» Gegenüber US-Aktien sind europäische Aktien immer deutlich niedriger bewertet, allein durch die bessere Aktienkultur der Amerikaner. Insgesamt gesehen gibt es noch einige Branchen in Europa, die günstig bewertet sind, allen voran die Industrie, der Automobilsektor und die Finanzwerte.

Kreitlmeier» Aus rechnerischer Sicht bieten Europa-Aktien Anlegern geringere Bewertungen und höhere Risikoaufschläge. Sinkende Zinsen würden die europäischen Aktienmärkte zudem stützen und auch die Wirtschaft ankurbeln. Strukturell sieht das Bild nicht so rosig aus, denn gegen die Dichte an innovativen Technologieführern der USA kommt Europa nicht an. Wir gehen jedoch davon aus, dass europäische Werte mittelfristig aufholen können. finanzwelt: Aktuell ist Berichtssaison. Das bringt Dividenden wieder in den Fokus der Anleger. Auf was ist hierbei zu achten?

Kreitlmeier» Dividendenaktien eignen sich vor allem für defensiv orientierte Anleger mit einer Vorliebe für Substanzaktien. Viele etablierte Dividendenzahler konnten die Ausschüttungen über vergangene Krisen konstant halten, was Anlegern eine gewisse Berechenbarkeit der künftigen Dividendenerträge bieten dürfte.

Eilers» Ein dividendenorientierter Anleger sollte nicht unbedingt die langfristig ‚sterbenden Branchen‘ mit hohen Dividenden, wie Öl, Gas, Kohle, etc. kaufen, sondern vielmehr auf Qualitätsaktien, also Unternehmen mit guter Marke und stabilem Wachstum setzen, also beispielsweise Coca Cola, Allianz, BMW, Mercedes, etc.

finanzwelt: Nach den Aktien werfen wir einen Blick auf die vielfältige Anleiheklasse. Welche Segmente sehen Sie hier als chancenreich?

Herrmann» Wie im Vorjahr sind es auch in diesem Jahr bislang wieder die riskanteren Segmente des Rentenmarktes, welche die Performancerangliste anführen. Insbesondere Nachranganleihen von Banken weisen eine starke Wertentwicklung auf. Dank der hohen Carry konnten sich diese Anleihen den steigenden Zinsen gut widersetzen. In der zweiten Jahreshälfte erwarte ich nun mehr Rückenwind von der Zinsseite – dafür aber Gegenwind von der Spreadseite. Letzteres gilt insbesondere für riskantere Anleiheklassen, die bereits sehr enge Spreadniveaus aufweisen. Da ich jedoch bis Jahresende von keiner starken Spreadausweitung im Schnitt über alle Segmente ausgehe, halte ich Nachranganleihen und auch Hochzinsanleihen weiterhin für recht attraktiv. In unserem breit gestreuten Rentenfonds gewichten wir diese nun allerdings nur noch neutral, da wir das Gewicht an Investmentgradeanleihen erhöht haben.

Kreitlmeier» Für Anleger haben langlaufende Staatsanleihen aus den USA und der Eurozone große Kurspotenziale bei sinkenden Zinsen, diese sind umgekehrt aber bei Zinsanstiegen verwundbar. Wer dem Zinsänderungsrisiko aus dem Weg gehen möchte, dem bieten sich Geldmarktfonds an, die weiterhin attraktive Renditen von 3,5 % bis 4,5 % pro Jahr in Euro gerechnet liefern. Unternehmensanleihen guter Bonität aus den USA und Europa stellen auf aktuellem Niveau weiterhin eine aussichtsreiche Anlageklasse dar. Sie vereinen eine relativ hohe Rendite von 3,5 % bis 5 % mit überschaubaren Zinsänderungsrisiken. Darüber hinaus zählen Anleihen aus den Emerging Markets weiterhin zu unseren Favoriten, da in vielen Schwellenländern bereits Zinsen gesenkt werden, was die Kurse antreibt.