SI-Labels: Herdenverhalten ist nicht zwangsläufig im besten Interesse von Investoren
13.04.2023
Rachel Whittaker, Head of SI Research bei Robeco / Foto: © Robeco
Initiativen – Wie groß ist ihre tatsächliche Bedeutung?
Bei gemeinsamen Initiativen besteht ein ähnliches Dilemma. Es gibt große Kooperationen wie die Gruppe „Climate Action 100+“ (die von Robeco offen unterstützt wird) und kleinere Initiativen wie „Gender Lens“ in der Schweiz und die „Platform Living Wage Financials“ in den Niederlanden. In den Questionnaires (RfPs) potenzieller Investoren mit Interesse an einem bestimmten Fonds finden sich häufig Fragen dazu, welche Initiativen ein Asset Manager unterstützt. Die Antworten können ein Indikator für die Werte und Zielsetzungen des Asset Managers sein.
Allerdings ist es schwierig, solchen Kooperationen und Initiativen eine konkrete Bedeutung beizumessen. Wie im Fall der nachhaltigen Labels gilt: Asset Manager können nicht alle unterstützen, da Ressourcen im Hinblick auf Finanzen und Mitarbeiter begrenzt sind. Sie müssen also abwägen zwischen den Anforderungen im Fall einer Teilnahme und der Wahrscheinlichkeit, dass sie tatsächlich einen Beitrag zu den Impact-Zielen leisten. Ebenso wie sie letztlich auch den Nutzen für ihre eigenen Investoren abwägen müssen.
Mitunter kann das kontraproduktiv sein. Eine übertriebene Beteiligung an Initiativen, die nicht wirklich unterstützt werden, kann ein Hinweis auf Greenwashing oder Trittbrettfahren einer Organisation sein: Diese unterzeichnet zwar etwas, um ihr Nachhaltigkeitsprofil zu illustrieren, unternimmt aber letztlich nichts zur Erreichung der entsprechenden Ziele.
Greenwashing und „Greenwishing“ – Die Sorge, etwas verpassen zu können
Das Dilemma, welche Initiativen man unterstützen sollte, wächst durch das Aufkommen freiwilliger Initiativen oder Kooperationen, die so bekannt sind oder durch die Zahl ihrer Unterzeichner so viel Schwung erhalten, dass es schwierig wird, sich nicht zu beteiligen, ohne den Anschein zu erwecken, die Sache nicht zu unterstützen.
Dieses Herdenverhalten ist nicht zwangsläufig im besten Interesse von Investoren. Eine de facto „notwendige“ Beteiligung kann sogar Greenwashing begünstigen oder vielleicht „Greenwishing“ – wenn Finanzinstitutionen von den Zielen überzeugt sind, aber tatsächlich nicht die beabsichtigten Ergebnisse erreichen – für gewöhnlich, weil sie nicht ausreichend tätig werden.
Ist der Verzicht auf ein Label schlecht?
Es gibt auch die Angst davor, auf ein Label zu verzichten oder eine Verpflichtung zu beenden, selbst wenn die Gründe richtig sind. Das Risiko: Dies kann als Anzeichen interpretiert werden, dass ein Unternehmen oder ein Fonds weniger nachhaltig ist, oder dass die Glaubwürdigkeit eines Gütesiegels oder einer Initiative beeinträchtigt wird, selbst wenn die Entscheidung aus soliden geschäftlichen Gründen getroffen wurde und sich an der zugrundeliegenden Strategie nichts ändert.
Wichtig ist, dass Asset Manager gegenüber ihren Investoren glaubhaft machen können, weshalb solche Entscheidungen hinsichtlich eines Labels getroffen wurden. So kann der Kunde prüfen, ob seinen Anforderungen nach wie vor Rechnung getragen wird.
Nicht lediglich Punkte abhaken
Unterm Strich sollte klar sein, dass es zur Identifikation der nachhaltigsten Fonds keinesfalls genügt, lediglich nach bestimmten Labels oder Verpflichtungen Ausschau zu halten. Ebenso wenig ist das Sammeln von Labels und Verpflichtungen ein kluger Ansatz für die Vermarktung von Fonds. Es kann am Ende sogar die Wertentwicklung beeinträchtigen, wenn Investmentprozesse für bestimmte Labels angepasst werden anstatt andersherum.
Dessen ungeachtet können solche Aktivitäten ein wichtiges Signal im Hinblick auf die zentralen Werte einer Organisation liefern. Die Entscheidungen, sich in punkto Nachhaltigkeit zu verpflichten, werden selten hemdsärmelig getroffen. Investoren müssen immer ausreichend Fragen stellen, um gewährleisten zu können, dass ein Investment wirklich das beinhaltet, was es vorgibt.