Schlägt die Wahrscheinlichkeit zu?

03.08.2017

Guido vom Schemm, Geschäftsführer GVS Financial Solutions GmbH / Foto: © GVS

Ein weiteres Indiz für eine aufkommende Gefahr an den Finanzmärkten ist die geringe Marktbreite. Diese Kennzahl zeigt, wie viele Aktien steigen und wie viele fallen. Das lässt sich bei Indizes, welche die Unternehmen nach Marktkapitalisierung gewichten, so nicht ablesen. Da die meisten Aktienindizes die Einzeltitel gemäß ihrem aktuellen Börsenwert gewichten, kann ein Index auch dann steigen, wenn nur wenige große Unternehmen Kurszuwächse verzeichnen. Das gleiche gilt natürlich im umgekehrten Fall in Bärenmärkten. Dieses Phänomen beobachten wir seit geraumer Zeit auch an den US-Börsen. Hier haben die Tech-Schwergewichte Apple, Alphabet, Amazon, Facebook und Microsoft sowie einige US-Banken die Indizes nach oben gezogen. Doch die aktuelle Marktbreite (Anzahl von Aktien mit neuen Allzeit- oder Jahreshochs) weist nicht mehr die gute Verfassung wie noch Ende 2016 auf. Zahlreiche Aktienkurse aus anderen Branchen stagnieren oder sind sogar rückläufig.

Folgende Grafik zeigt den Prozentsatz der Unternehmen des S&P, welche sich über der 200 Tageslinie, sprich sich im Aufwärtstrend, befinden. Hier sieht man, dass der Aufschwung seit einem Jahr von immer weniger Unternehmen getragen wird.

Trügerisch ist auch die niedrige Volatilität, also die Schwankungen an den Finanzmärkten. Die Indexstände des VIX und V-DAX – beides Indikatoren für die Nervosität an den Aktienmärkten – sind historisch eher niedrig. Im Mai fiel der S&P 500 Volatilitätsindex VIX unter die Marke von 10.Die Marke von 10 wird nur sehr selten unterschritten. Das erinnert doch sehr an die Euphorie und die Wetten am neuen Markt im Jahr 2000, oder an die hohe Anzahl der Kreditausfall-Versicherungen, die vor der Finanzkrise in 2007 verkauft wurden. Damals war die Volatilität vor den Crashs auch niedrig.

Zudem verliefen Börsenjahre mit der Zahl Sieben am Ende häufig turbulent, man denke nur an den großen Crash von 1987. Vor allem im zweiten Halbjahr wurden die Börsen kräftig durchgeschüttelt. Die Analyse des Dow Jones Index seit 1897 ist sehr ernüchternd. Nach dem es in den ersten Monaten steil bergauf ging, verlor er demnach im zweiten Halbjahr im Schnitt 21,4 Prozent. Der Dow Jones ist die wichtigste Leitbörse, an der sich die Finanzmärkte weltweit orientieren, somit würden wohl auch europäische Börsen in Mitleidenschaft gezogen. Vor allem drei Gründe könnten die US-Börsen im zweiten Halbjahr stark belasten. Zum einen dürfte eine weitere Abkühlung der US-Wirtschaft für Unruhe sorgen. Zum anderen hat die US-Notenbank Fed mehrere Zinserhöhungen und ein Runterfahren der Anleihekäufe angekündigt. Hier ist offen, wie gut die Märkte die „doppelte Zinserhöhung“ verkraften werden. Fallen die Zinserhöhungen aus, würde dies zu einem Vertrauensverlust und somit auch zu Turbulenzen führen. Darüber hinaus ist der neue US-Präsident Donald Trump ein Risiko. Die Börse hat auf seinen Wahlsieg mit deutlichen Kursgewinnen reagiert. Die Anleger erwarten eine wirtschaftsfreundliche Politik. Enttäuscht Trump die Erwartungen, drohen heftige Reaktionen.

Die oben genannten Gefahren beziehen sich allesamt auf historische Daten. Ist dies eine Garantie für die Zukunft? Sicherlich ist anhand dieser Daten keine auf den Tag oder Monat genaue Prognose möglich. Anleger sollten diese harten Fakten aber zwingend in ihre Überlegungen einbeziehen, auch wenn sich die Geschichte nicht zwangsläufig wiederholt, so ist die Wahrscheinlichkeit doch sehr hoch, dass sie sich zumindest reimt.

Kolumne von Guido vom Schemm, Geschäftsführer GVS Financial Solutions GmbH