Ruhestandsplanung
23.03.2022
Renten-Experte Ramesh Bhargava, Versicherungsbetriebswirt (DVA) / Foto: © Ramesh Bhargava
Kompromisse im besten Sinne
Reicht das verfügbare Einkommen nicht aus, um die Versorgungslücke zu schließen, sind Kompromisse zu finden. Zum einen können Konsumeinschränkungen auf die Erwerbs- und Rentenphase verteilt werden. Zum anderen hilft die Investition in chancenreiche Anlage bei Inkaufnahme von Risiken und stärkerer Volatilität. So erzielten Aktien in der Vergangenheit eine um etwa 3 Prozent höhere Rendite als sichere Anleihen. Bei einer Fortführung dieser Überrendite genügt zum Erreichen desselben Zielbetrags bei einer 30-jährigen Ansparzeit ein um etwa 40 Prozent niedrigerer Sparbetrag. Ein weiterer Hebel liegt in der zusätzlichen Nutzung staatlicher Förderungen in Form von Zulagen, Progressionsvorteilen und Steuerstundungseffekten im Rahmen des Alterseinkünftegesetzes.
Konsumeinschränkungen zählen zu den notwendigsten, wenn auch meistverdrängten Optionen, ziehen sie doch mitunter schmerzhafte Verhaltensveränderungen nach sich. Gerade wenn dieser Prozess auf freiwilliger Basis erfolgt, muss dies keinesfalls auf Kosten von Lebensqualität und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben gehen. Man ersetze Rumpsteak durch Pizza, 120 durch 100 qm, Zentrum durch Vorort, Mercedes durch Ford, Südsee durch Nordsee, Skifahren durch Wandern. Selbstkasteiung klingt anders. Vielleicht sind zukünftige Konsumeinschränkungen im Zeichen der Zeit vor dem Hintergrund von Wachstumsgrenzen und Ressourcenschonung. Auch wenn der Mensch als Gewohnheitstier gilt, bestätigen Studien die hohe Anpassungsfähigkeit. So sind wir mehrheitlich gut in der Lage, uns an finanzielle Veränderungen innerhalb von drei bis fünf Jahren zu gewöhnen und unser Konsumniveau dauerhaft zu reduzieren. Als problematisch gilt es, wenn unerwartete Einkommensschocks zu plötzlicher Konsumeinschränkung zwingen, bspw. wenn ein 50-Jähriger infolge eines Schlaganfalls seine Arbeitskraft verliert. Für solche Fällen spielt die Absicherung etwa durch eine Berufsunfähigkeitspolice eine Rolle.
Als Anreiz für Altersvorsorge ist es wirkungsvoller, die positiven Effekte von Vorsorge aufzuzeigen als den Teufel an die Wand zu malen. Wer sich ein realistisches Rentenziel setzt, empfindet ein Gefühl von Kontrolle und Erreichbarkeit. Das erhöht Zufriedenheit und Sparbeitrag. Lebensziele tragen zudem häufig eine Art Vorhersagekraft in sich. Wenn du Altersvorsorge willst, beginne nicht mit Durchschnittswerten und Versorgungslücken, sondern erwecke die Sehnsucht nach Ruhestand und freier Zeit. (frei nach Antoine de Saint-Exupéry).
Gastbeitrag von Ramesh Bhargava, Versicherungsbetriebswirt (DVA), seit 25 Jahren im Versicherungs- und Finanzdienstleistungsbereich