Ruhestandsplanung
23.03.2022
Renten-Experte Ramesh Bhargava, Versicherungsbetriebswirt (DVA) / Foto: © Ramesh Bhargava
Dynamischer Konsum im Ruhestand
Entgegen der vorgenannten Lebenszyklushypothese verläuft der individuelle Konsumverlauf über das gesamte Leben hinweg selten glatt. Verhalten und Konsumstruktur verändern sich im Alter. Gewöhnlich steigt der Konsum mit Erwerbseintritt bis zum Renteneintritt, um dann wieder zu sinken, im höheren Alter unter das 80 %-Niveau. Jungrentner konsumieren kräftig bis Mitte 70. Viele empfinden die ersten Jahre nach dem Arbeitsleben als aktivste Lebensabschnitt. Der Dekade folgen ruhigere Phasen, auch weil Senioren über die Zeit aufgrund gesundheitlich bedingter Mobilitätsbeschränkungen sesshafter werden.
Geld scheint im Laufe des Lebens an Bedeutung zu verlieren. Während in der Erwerbsphase der materielle Lebensstandard für die Lebenszufriedenheit am relevantesten ist, sind es im höheren Alter Gesundheit und Freizeitgestaltung. Tendenziell steigt der Anteil an Konsumausgaben für Gesundheitspflege sowie Unterhaltungsgüter, die den Freizeitkonsum zu Hause erhöhen, während die Anteile für Genuss, Freizeit, Mobilität, Bekleidung und Innenausstattung sinken. Die Kosten für Grundbedürfnisse wie Wohnen, Energie und Lebensmittel bleiben stabil auf hohem Niveau; Einsparungen sind hier deutlich schwieriger zu erzielen.
Die Inflation ist in der langen Rentenphase ein nicht zu unterschätzender Faktor. Folgt man der Annahme, dass sich der Konsum im Alter sukzessive reduziert, könnte dies einen moderaten Kaufkraftverlust zumindest teilweise kompensieren, so dass der Gesamtkonsum nominal annähern gleichbleibt.
Entsparen statt Lebenslänglich
Reicht das Vorsorgebudget für eine lebenslange Rente in gewünschter Höhe nicht aus, empfiehlt sich ein Haushaltsplan mit Augenmerk auf die Ausgaben für die lebenslang bestehenden Grundbedürfnisse. Wenigstes dieser Teil, der von gesetzlicher und betrieblicher Rente sowie weiteren dauerhaft garantieren Einnahmen nicht gedeckt ist, sollte über eine zusätzliche lebenslang garantierte Rente finanziert werden. Die Auszahlung in Form einer monatlichen Verrentung wirkt auch der Versuchung entgegen, Kapital für größere, nicht zwingend notwendige Anschaffungen zu verwenden.
Für den über die Grundbedürfnisse hinaus gehenden Anteil bietet sich eine Entsparung für einen Zeitraum an, der mindestens der voraussichtlichen Dauer der aktiven Ruhestandsphase, besser noch der Lebenserwartung entspricht. Diese Strategie verbindet das Risiko, dass das Geld irgendwann verbraucht sein kann mit dem Vorteil, dass die zeitlich begrenzte Rente deutlich weniger Verrentungskapital und somit einen niedrigeren Sparbetrag erfordert als die Leibrente. Motto: Lieber die ersten 10 Rentnerjahre in vollen Zügen genießen als ein vielleicht 20-jähriger Ruhestand in Mittelmäßigkeit. Für eine 18-jährige Zeitrente von monatlich 1.000 Euro bei einer Verzinsung von 1,5 Prozent ist ein Verrentungskapital von knapp 190.000 Euro erforderlich. Ein Mitte 30-jähriger müsste bei einer jährlichen Verzinsung von vier Prozent in der Beitragsphase noch nicht einmal 280 Euro monatlich sparen. Möglich ist das ebenso bei einer privaten Rentenversicherung mit Ausübung des Kapitalwahlrechts.
Mit sinkendem Rentenniveau kommt es zu der paradoxen Situation, dass immer mehr Rentner trotz bestehenden Wohneigentums als arm gelten. Obwohl die Immobilie abbezahlt ist, fehlt Liquidität für ein auskömmliches Rentnerdasein. Allgemein neigen deutsche Ruheständler dazu, Sachwerte zu bewahren. Besonders mit den eigenen vier Wänden verbinden Rentner Emotionen. Die wenigsten trennen sich nach dem Auszug der Kinder von dem dann viel zu großen Wohnraum. Die Immobilie wird in Deutschland allmählich als Lösung des Liquiditätsproblems erkannt. In England hat sich der Immobilienkapitalverzehr längst als Instrument der Altersversorgung etabliert, nicht nur als Notlösung, sondern auch zur Optimierung des Lebensstandards, etwa zur Finanzierung eines Wohnwagens oder einer Weltreise. Ein interessanter Weg für hiesige Rentner der Zukunft, auch vor dem Hintergrund, dass ein größer werdender Anteil keine Kinder hat, an die es etwas zu vererben gibt.
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