Rückendeckung? Das europäische Fragmentierungsproblem

01.07.2022

Bethany Payne, Portfoliomanagerin Janus Henderson Investors / Foto: © Janus Henderson

PEPP als Rettung?

Um die Tragweite der Herausforderung richtig einschätzen zu können, hat die EZB seit Einführung des QE-Programms Anleihen im Wert von über 4,9 Billionen Euro gekauft, was mehr als einem Drittel des BIP der Eurozone entspricht. Innerhalb von zwei Jahren hat sie mehr als alle weiteren Anleihen der 19 Regierungen des Euroraums3 aufgekauft, was ihr großen Einfluss auf die Kreditkosten in der Region verleiht. Die EZB hat außerdem ihre Anleihekäufe langsamer heruntergefahren bzw. beendet als die meisten westlichen Zentralbanken.

Ein Teil dieser Käufe erfolgte über das Pandemic Emergency Purchase Programme (PEPP) – ein begrenztes, aber uneingeschränktes Programm zum Ankauf von Anleihen als Reaktion auf die Folgen der Pandemie. Nun, da die EZB ihre Ankäufe von Vermögenswerten Ende Juni eingestellt hat, bleiben nur noch die Reinvestitionen fällig werdender Anleihen in die Programme, die im Rahmen des PEPP noch mindestens bis Ende 2024 laufen.

Die EZB macht von diesen Reinvestitionen Gebrauch. Auf der Juni-Sitzung kündigte sie weitere Flexibilität im Rahmen des PEPP an, um dem Fragmentierungsrisiko zu begegnen. Dies könnte dazu führen, dass künftige Mittelzuflüsse aus fällig werdenden Anleihen vorgezogen und innerhalb der Eurozone investiert werden. Es könnte sich dabei um eine Form der „quantitativen Straffung deutscher Bundesanleihen“ handeln, bei der Käufe von nord- auf südeuropäische Länder übertragen werden. Dies könnte einen Wert von rund 200 Mrd. Euro4 pro Jahr an vorgezogenen Fälligkeitsterminen ausmachen.

Zwar waren PEPP-Käufe in Krisenzeiten effektiver und werden als erste Maßnahme zur Bewältigung von peripheren Spread-Krisen eingesetzt, aber die Flexibilität des PEPP ist nur eine Teillösung für Solvenz- und Liquiditätsprobleme. Der Vorteil des PEPP sind die fehlenden Bedingungen, wodurch Haushaltsbeschränkungen als Reaktion auf einen externen Schock vermieden werden können. Das Programm ist jedoch begrenzt, und ein Backstop sollte, um glaubwürdig zu sein, wohl unbegrenzt sein. Je größer die Bazooka, desto weniger wird sie getestet und daher benötigt.

Die Optionen der EZB

Wir sind der Meinung, dass die Zentralbank einen wirkungsvollen Backstop entwickeln muss, der jedoch nicht gegen die gesetzlichen Vorschriften der EZB zur monetären Finanzierung verstößt. Andernfalls besteht die Gefahr, dass sie vor dem deutschen Verfassungsgericht angefochten wird. Hier könnte der NextGenerationEU-Rahmen (NGEU) hilfreich sein.

Die NGEU ist ein Eckpfeiler der europäischen Reaktion auf die Pandemie und unterstützt den Aufschwung, indem sie den EU-Mitgliedstaaten unter der Bedingung spezifischer Investitions- und Reformvorhaben finanzielle Unterstützung bietet. Dieser Rahmen ist eine Art Überwachungssystem, das Wachstum und wirtschaftliche Konvergenz in ganz Europa fördert. Die Verbindung dieses Rahmens mit neuen unbegrenzten Outright Monetary Transactions könnte der EZB ermöglichen, ihre Bilanz zu begrenzen und gleichzeitig das Wachstum und die Integration der Eurozone zu fördern. Dies könnte dazu beitragen, dass sich die Spreads annähern und somit die Abwärtsrisiken begrenzen.

Wie schnell wird die EZB handeln? In diesem Jahr ist die Rendite 10-jähriger italienischer Staatsanleihen um 2,46 % gestiegen, während die Rendite 10-jähriger deutscher Staatsanleihen um 1,87 % gestiegen ist und damit den negativen Bereich verlassen hat. Wenn man bedenkt, dass es sich bei Italien um einen Schuldtitel mit höherem Beta handelt, könnten der Anstieg und die daraus resultierende Ausweitung des Spreads darauf hindeuten, dass es zu weiteren Belastungen kommen könnte.

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