P&R: Was Vermittler jetzt tun sollten
20.03.2018
Nikolaus Sochurek / Foto: © Peres & Partner Rechtsanwälte Partnerschaft mbB
finanzwelt: Wie sollten sich Vertriebseinheiten in der gegenwärtigen Situation verhalten?
Sochurek: Jetzt ist eine rechtssichere und dennoch verbindliche Kommunikation mit den eigenen Kunden unabdingbar. Hierbei gelten grundsätzlich folgende Leitlinien:
Vertriebe sollten offen und empathisch bleiben, bei Schuldzuweisungen ihr Gegenüber aussprechen lassen, jedoch unter keinen Umständen eigenes Fehlverhalten konzedieren. Stellen Sie sich vor, es würde ein Tonbandgerät mitlaufen, wenn Sie als Vertrieb mit Ihren Kunden sprechen. Reflektieren Sie auf keinen Fall die Beratungssituation bzw. die Vermittlungssituation. Unterlagen sollten grundsätzlich nicht heraus gegeben werden. Keinesfalls sollte die damalige Vermittlungssituation reflektiert werden oder gesagt werden, dass die Anlage damals ja „sicher“ erschien. Sowas kann in einem Prozess gegen den Vermittler verwendet werden. Wenn Anleger direkt dazu auffordern, irgendwelche Dokumente herauszugeben, so bleibt dem Vertrieb an dieser Stelle nicht viel anderes übrig, als sich darauf zurückzuziehen, dass der Anwalt davon klar abgeraten hat. Wenn das Gespräch schon ein solches Stadium erreicht hat, dann hilft kein „rumeiern“ mehr.
Vertriebe sollten keinesfalls den Kopf nicht in den Sand stecken, dies würden Kunden mit hoher Wahrscheinlichkeit negativ auffassen und im schlechtesten Fall dazu führen, dass sie sich in die Arme der Anlegerschutzanwälte begeben.
finanzwelt: Wie können Vermittleranwälte die Vertriebe unterstützen?
Sochurek: Mein Ansatz ist hier relativ simpel. Ich habe diverse gut informierte Quellen, mit denen ich regelmäßig im Austausch bin. Im Rahmen der von mir gegründeten Vermittlergemeinschaft besteht das Ziel darin, den Vermittler gegenüber seinem Kunden als die primäre Informationsquelle zu installieren und als primären Ansprechpartner zu etablieren. Wer von seinem Vertrieb bzw. seinem Vermittler – üblicherweise besteht hier eine gewisse Vertrauenssituation – gut informiert wird, der hat deutlich weniger Bedarf, sich an andere Informationsquellen zu wenden, wie etwa Anlegeranwälte. Eine gelungene und rechtssichere Kundenkommunikation ist also das „A und O“ in der Krise.
finanzwelt: Teilweise werden Angebote zur Zusammenarbeit von Seiten der Anlegerschutzanwälte angeboten, wie sollte man mit solchen Angeboten umgehen?
Sochurek: Ich kenne diese Angebote natürlich, die teilweise direkt über die Kanzleien kommen, teilweise über irgendwelche Anlegerschutzvereine, hinter denen wiederum Kanzleien stehen.
Keinesfalls sollten eine Zusammenarbeit mit Anlegeranwälten erwogen werden. Derartige Zusammenarbeiten gehen langfristig selten gut und werden die Position des Vertriebs eher noch schwächen. In der vorliegenden Situation ist auch nicht klar, was eine Anlegerkanzlei für die Kunden tun sollte. Letztlich würde als Anspruchsgegner aus meiner Sicht nur der Vertrieb übrig bleiben, da kein anderer denkbarer Anspruchsgegner die wirtschaftliche Potenz hätte, um sich gegen eine mutmaßlich überwältigende Anzahl von Klagen zu verteidigen geschweige denn, die geltend gemachten Ansprüche zu bedienen, sollten die Klagen Erfolg haben.
Der Anlegeranwalt, dem der Vertrieb am Ende die Kunden „zugeführt“ hätte, würde sich in der Situation wiederfinden, dass er de facto nichts für die Anleger tun könnte. Er müsste dann entweder doch gegen den Vertrieb vorgehen, oder die Anleger zu einem Kollegen empfehlen, der dann den Vertrieb in Anspruch nehmen könnte. Im schlimmsten Falle könnte dann noch auf Informationen zurückgegriffen werden, die der Vertrieb den Anlegern, respektive den Anwälten, gegeben hat und diese Informationen dann gegen den Vertrieb verwendet werden. Im schlimmsten Fall würden die Vermittler sich so selbst ans Messer liefern.
Jeder Vertrieb muss davon ausgehen, dass die Anlegeranwälte über kurz oder lang Druck seitens der Anleger bekommen werden, durch die Frage der Anleger, was denn eigentlich mit Ansprüchen gegen den Vertrieb sei. Dazu kommt es spätestens dann, wenn in den einschlägigen Medien und Internetveröffentlichungen andere Anlegerkanzleien mit einem Vorgehen gegen den Vertrieb werben oder sogar Erfolge im Einzelfall vorweisen können.
Fazit: Aus meiner Erfahrung kann ich von jedweder Zusammenarbeit mit Anlegeranwälten nur abraten. Bitte geben Sie auch keine entsprechenden Empfehlungen ab: Sie laufen damit letztlich Gefahr, sich selbst ans Messer zu liefern!
Eine Kooperation im Einzelfall kann allenfalls im Rahmen einer engmaschigen Betreuung durch einen erfahrenen Vermittleranwalt erwogen werden. Auch hier ist jedoch höchste Vorsicht geboten.
weiter auf Seite 3