Perfektionismus – wie können denn 90 % gut genug sein?

09.07.2021

Foto: © Africa Studio - stock.adobe.com

Einfach mal probieren….

Zum Abschluss noch ein paar Gedanken, die mir geholfen haben, mit meinem Perfektionismus besser umgehen zu lernen. (Diese Gedanken kannst du natürlich auch für deine perfektionistischen Mitarbeiter im Coaching einsetzen.)

• Mein Chef sagte nach meinem Burnout zu mir: 90 % von dir sind mir lieber als 120 % von den meisten anderen. Glaube es einfach: Die Qualität deiner Arbeit ist ohnehin so hoch, dass du dir die letzten 10 % an Aufwand sparen kannst. Dazu eine Übung: Setze dir eine bestimmte Zeit, die dich eine Aufgabe kosten soll. Sagen wir 30 Minuten für das Schreiben eines Berichtes. Dabei solltest du versuchen, schon knapp zu kalkulieren. Nach den 30 Minuten höre auf jeden Fall auf und schicke den Bericht ab. Meine Erfahrung mit dem Perfektionismus ist, dass man gut und gerne noch einmal 30 Minuten investiert, aber an der Qualität sich im Grundsatz nichts mehr ändert. Du sagst bestimmt auch, dass du unter Druck am effizientesten bist – genau! Dann wird nach 30 Minuten auch alles Wichtige in dem Bericht drinstehen – passt. Mache dir bewusst: Als Perfektionist wirst du nach 30 Minuten keinen Bockmist abgeben, auch wenn es sich so anfühlt. Das geht bei dir gar nicht. • Kopf hoch: Immer mal wieder ein Blick auf die To-do-Liste werfen. Da warten noch eine ganze Menge anderer Aufgaben auf dich. Vielleicht beendest du jetzt doch besser die aktuelle Aufgabe bei 90 %. • Es ist prima, wenn du mit voller Konzentration und Gewissenhaftigkeit eine Aufgabe ausführst. Versuche, den Punkt zu erkennen, an dem der Fokus von „Qualität der Sache wegen“ umschlägt in „Perfektion zur Vermeidung von Kritik“. • Du willst unbedingt Fehler vermeiden, um nicht bei deinem Gegenüber an Wertschätzung zu verlieren. „Vielleicht mag mich die Person dann nicht mehr“. Aber stell dir vor, du hättest für alle erfolgreichen und positiven Dinge, die du für dein Gegenüber schon geleistet hast, eine Münze als Guthaben auf ein Konto eingezahlt. Nehmen wir dann an, dass du tatsächlich mal einen Fehler begehst. In dem Fall hebst du gerade mal eine Münze von deinem Guthaben ab und hast immer noch einen Haufen auf dem Konto. Warum sollte diese Person dich auf einmal nicht mehr wertschätzen? • Der Perfektionismus hat ja auch seine guten Seiten, z. B. ist es sinnvoll, in einem Team perfektionistisch veranlagte Mitarbeiter zu haben. Sie sorgen dafür, dass die Details genug Beachtung finden und dass das Projekt realisierbar bleibt. Und wenn es mal ein bisschen zu sehr ins Detail geht, dann langt ein liebevoller Hinweis von den Kollegen. Sei ein bisschen nachsichtig mit deinem Perfektionismus – er leistet dir auch gute Dienste.

Letztendlich hilft es sicherlich am meisten, wenn du dir einmal die unterliegenden Glaubenssätze ansiehst, die für deinen Perfektionismus verantwortlich sind. Meine liebe Kollegin Wibke Regenberg und ich haben u. a. zum dem Thema Perfektionismus eine Folge in unserem Podcast „Manager-im-Burnout“ aufgenommen. Höre gerne einmal rein. Dort reden wir auch über das Thema Glaubenssätze.

Denk immer dran: Du wirst immer noch wertgeschätzt, auch wenn du mal kritisiert wirst.

Info

Ulf Kepper war bis 2018 Vor-standsmitglied eines internationalen Konzerns. Heute ist er Mana-gement Consultant, Mentor und Sparringspartner. Kontakt über die Website ulf-kepper.de oder über Manager-im-Burnout.de mit Wibke Regenberg.