Panik ist der eigentliche Feind
01.04.2020
William J. Adams, CFA, Chief Investment Officer Global Fixed Income und Erik Weisman, Portfoliomanager und Chefökonom bei MFS Investment Management / Fotos: © MFS Investment Mangement
Der mehr als zehnjährige Aufschwung nach der internationalen Finanzkrise war den hohen und stabilen Konsumausgaben zu verdanken. Jetzt ist diese wichtige Säule der Wirtschaft eingestürzt – so schnell und so heftig wie noch nie zuvor. Der Dienstleistungssektor, der 50 % der US-Wirtschaft ausmacht, ist stark geschwächt. Darunter leiden Zahnärzte, Optiker, Kellner und Inhaber kleiner Unternehmen gleichermaßen. Die Regierung versucht zwar, die Einbrüche der Haushaltseinkommen und des Konsums auszugleichen, aber keine Staatshilfe kann mehr tun, als diese abzufedern.
Wesentlich ist, dass der fast vollständige wirtschaftliche Stillstand der hoch verschuldeten US-Wirtschaft einen Knüppel zwischen die Beine geworfen hat. Die derzeitigen Schulden sind andere als in der internationalen Finanzkrise. Während in den schwierigen Jahren 2008 und 2009 vor allem die Finanzunternehmen hoch verschuldet waren, sind es diesmal insbesondere die anderen Unternehmen. Im Vergleich zur Finanzkrise haben die Banken jetzt eine bessere Kapitalausstattung und sind liquider.
Wie in allen Finanzkrisen leiden auch diesmal besonders die Banken unter der enormen Volatilität. Bislang können wir noch nicht genau sagen, wie stark diese Finanzinstitute unter Druck geraten, aber wir wissen, dass ihre finanzielle Lage und ihre Liquiditätssituation erheblich besser sind. Dennoch gibt es keine Modelle, mit denen man einschätzen kann, welche Folgen ein wirtschaftlicher Stillstand dieses Ausmaßes für eine verschuldete Volkswirtschaft haben kann. Die Umsätze der Unternehmen werden erheblich sinken. Einige werden stärker, andere weniger stark betroffen sein. In den kommenden Quartalen und Jahren wird es beim Investieren darauf ankommen zu erkennen, welche Unternehmen diesen Sturm verkraften und welche ihn vermutlich nicht überstehen werden.
Die Geldpolitik eilt zu Hilfe
Weltweit haben Zentralbanken schnell und stark auf die Krise reagiert, vor allem in den letzten etwa zehn Tagen. Die US Federal Reserve (Fed), die Europäische Zentralbank (EZB), die Bank of England (BoE) und andere Zentralbanken haben außergewöhnliche Maßnahmen zur Lockerung der Geldpolitik getroffen. Dazu zählen Zinssenkungen, Quantitative Easing (QE), die Steuerung der Zinsstrukturkurven und die Bereitstellung von Liquidität. Damit soll den ernsthaften Liquiditätsengpässen an den Märkten entgegengewirkt werden, die zurzeit durch die enorme Volatilität und die massiven Kurseinbrüche entstehen.
Anders als bei früheren starken Marktverzerrungen können die Broker und Händler der Wall Street aufgrund der nach der internationalen Finanzkrise eingeführten Regulierungen Schocks nicht mehr abfedern. Dadurch ist die Liquidität noch knapper. Deshalb müssen die geldpolitischen Reaktionen unbedingt auch auf die Wiederherstellung der Liquidität des Finanzsystems abzielen. Qualitätsunternehmen müssen Kredite aufnehmen können, um diese Phase mit bestenfalls geringeren und schlimmstenfalls gar keinen Umsätzen zu überstehen.
Leider haben die Regierungen nicht so schnell reagiert wie die Geldpolitik. Sie tun erst seit wenigen Tagen etwas gegen den Einbruch der Wirtschaftsaktivitäten, den Kern der Krise. Wenig überraschend, aber dennoch enttäuschend ist dafür die Politik verantwortlich. Aber jetzt endlich agiert selbst die Finanzpolitik schneller und entschlossener als in anderen Krisen.
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