Neuausrichtung der Bonitätsprüfung für Hypothekenkredite

29.04.2019

Amit Lohani, Principal Consultant, Financial Services bei Infosys (li.) und Mahesh Raghavan (Senior Principal, Financial Services Digital Consulting bei Infosys (re.) / Fotos: © Infosys

Ein treffendes Beispiel für die Fehlbarkeit der Banken ist der Fall Ben Bernanke. Bernanke war bis 2014 Vorsitzender der Federal Reserve, danach nahm er eine Position bei einem führenden Think Tank in Capitol Hill ein. Er beantragte eine Hausrefinanzierung, die jedoch abgelehnt wurde – ein geradezu absurdes Ergebnis: Bernanke verdient geschätzte 200.000 Euro pro Rede und unterzeichnete kürzlich einen Buchvertrag über mehrere Millionen Euro. Kannten die Banken ihren Kunden oder spiegelten ihre Underwriting-Regeln die Realität von Bernakes Kreditwürdigkeit wider?

Kreditauskunfteien haben nicht nur Probleme mit der Datenqualität, sondern auch ähnlich veraltete Richtlinien wie Banken. Wenn eine Person beispielsweise ihren Mobilfunkanbieter wechselt, führt der neue Anbieter eine Kreditprüfung durch. Die Auskunfteien erfassen dies als harte Bonitätsprüfung und reduzieren daraufhin den FICO-Score dieser Person. Aus praktischer Sicht ist ein Kunde, der zu einem Dienstleister wechselt, der ihm 25 Euro im Monat einspart, aus Sicht des verfügbaren Einkommens und der Kreditwürdigkeit besser dran, aber sein Kredit-Score zeigt das Gegenteil an.

Schließlich ist der Prozess zum Aufbau einer Kreditwürdigkeit grundsätzlich fehlerhaft. Eine Person muss sich Geld leihen, um eine Kreditwürdigkeit aufzubauen – egal, ob sie das Geld benötigt oder nicht. Verbraucher werden quasi dazu ermutigt, zum Schuldner zu werden. Das hat zur Folge, dass unbeabsichtigt Anreize für schlechtes Finanzverhalten geschaffen werden – dies kann zu einer schuldengeplagten Gesellschaft führen.

Am Wendepunkt

Derzeit haben nur wenige Kreditgeber Schritte unternommen, um diese Probleme anzugehen; aber es gibt Lösungen für diejenigen, die zukunftsorientiert arbeiten und planen.

Bestimmte Kreditgeber im Hypotheken- und Studentenkreditbereich wählen einen umfassenderen Ansatz. Anstatt sich ausschließlich auf den rückblickenden FICO-Score der Kreditauskunfteien zu verlassen, berücksichtigen sie das Zukunftspotenzial eines Kreditnehmers. Sie umfassen den Bildungshintergrund der Person, einschließlich dessen, was und wo sie studiert hat, ihren Beruf, ihren derzeitigen Arbeitgeber und mehr, um sich ein ganzheitliches Bild von der finanziellen Gesundheit dieser Person und ihrem Einkommenspotenzial zu machen.

Ein weiteres Unternehmen, das sich proaktiv mit dem Problem der Kreditwürdigkeit beschäftigt, verwendet neben Finanz-, Berufs- und Bildungsinformationen auch Lifestyle-Daten, um die Fähigkeit eines Kreditnehmers zur Kreditrückzahlung zu prognostizieren.

Andere Unternehmen nutzen Analytik, um bessere Bonitätsbeurteilungen durchzuführen und alte Mythen zu entlarven, zum Beispiel dass, wenn ein Subprime-Kreditnehmer ein Haus besitzt und eine Hypothek bezahlt, er stabiler ist als ein Subprime-Kreditnehmer, der mietet. Durch empirische Datenanalyse haben die Kreditgeber gezeigt, dass dieser Mythos falsch ist. Mit neuen Erkenntnissen aus der Analytik und dem maschinellen Lernen können sie fundiertere Entscheidungen bei der Bewertung von Kreditnehmern treffen.

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