Map-Report: Deutsche Lebensversicherer auf dem Prüfstand
05.11.2024
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Lichtblicke im Neugeschäft
Die Geschäftsentwicklung in der deutschen Versicherungswirtschaft war im Jahr 2023 durch das weitgehend unverändert hohe Marktzinsniveau und die hohe Inflation geprägt. Daneben sahen sich die Versicherer mit einer Reihe von Herausforderungen konfrontiert. Zudem erzeugt die demografische Entwicklung zunehmend Druck die Digitalisierung voranzutreiben, da der Fachkräftemangel durch die rückläufigen Mitarbeiterzahlen in den Berufsbildern der Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik noch verschärft wird.
Wurden im Vorjahr noch 402.291 Policen (-8,4 %) weniger als im Jahr 2021 verkauft, konnte sich der Absatz jetzt um 14.231 Verträge (0,3 %) auf 4.421.379 Policen leicht erholen. Wird die Versicherungssumme als Bezugsgröße betrachtet, ging es um 2,7 % rauf.
Das Annual Premium Equivalent (APE) konnte diesem Trend zwar folgen, blieb aber dennoch in den roten Zahlen. Nach einem Minus von 9,9 % im Vorjahr ging es zum Jahresende 2023 durchschnittlich -0,7 % bergab. Trendresistent zeigte sich das Neugeschäft nach APE u.a. bei BL die Bayerische mit 31,6 % und Signal Iduna AG mit 28,9 % am deutlichsten.
Ausgebremst wurde das APE dabei primär von den Einmalbeiträgen. Die eingelösten Versicherungsscheine an Haupt- und Zusatzversicherungen nach laufendem Beitrag stiegen zum Jahresende 2023 branchenweit um 4,5 % auf 3,99 Mrd. Euro. Mit hohen Zuwächsen glänzten hier u.a. BL die Bayerische (30,9 %), Gothaer (25,1 %) und VRK (22,1 %). Das Neugeschäft an Einmalbeiträgen musste wiederum Federn lassen, verlor 15,0 % im Vergleich zum Vorjahr und rutschte im Branchenschnitt von 20,46 auf 17,38 Mrd. Euro.
Zugmaschine Fondspolicen
Sonstige Lebensversicherungen, zu denen vor allem auch fondsgebundene Verträge (FLV) zählen, waren erneut das Zugpferd im Verkauf und wurden am häufigsten unters Volk gebracht. Mit 1.527.369 eingelösten Versicherungsscheinen war diese Produktlinie die mit Abstand absatzstärkste. Der Neugeschäftsanteil betrug 34,6 %. Die fünf erfolgreichsten Anbieter in dieser Sparte waren Generali, Allianz, Bayern-Versicherung, Debeka sowie R+V. Mit 729.462 verkauften Verträgen zeichneten die großen Fünf mit 47,8 % beinahe die Hälfte des gesamten Neugeschäfts.
Ausblick
Zum 1. Januar 2025 kommt die erste Erhöhung des Höchstrechnungszinses (HRZ) seit Juli 1994. „Für Anbieter bedeutet der höhere HRZ zunächst eine Entlastung in den Bilanzen. So entsteht für die Versicherer wieder ein größerer finanzieller Spielraum, wenn die erforderlichen Deckungsrückstellungen für garantierte Leistungen sinken“, meint Reinhard Klages, Analyst des Map-Report. „Ab 2025 werden sicherlich auch mehr Produkte angeboten, die sicherheitsorientierten Kunden einen garantierten Kapitalerhalt bieten. Kalkulatorisch wäre sogar wieder eine 100-%ige Beitragsgarantie möglich“ ergänzt Franke. Ob sich die Versicherer diesen Gefahren, gerade in unsicheren Zeiten, noch einmal aussetzen, darf aber bezweifelt werden.
Die höheren Garantiezinsen bringen den Verbrauchern nicht nur Vorteile wie bspw. bei klassischen Lebensversicherungen, sondern wirken sich auch positiv auf die Prämienberechnung von Risiko- und Berufsunfähigkeitsversicherungen aus. Zudem könnten die garantierten Rentenleistungen bei Policen mit flexiblen Rentenfaktoren steigen.
Die letzte Senkung des Höchstrechnungszinses im Januar 2022 auf den historisch niedrigen Wert von 0,25 % hat viele Kunden abgeschreckt und deutliche Bremsspuren im Neugeschäft hinterlassen. Durch die Anpassung des Höchstrechnungszinses und die damit verbundenen Garantien könnte sich die Situation nun entspannen.
Die höheren Garantien geben den Produkten einen Attraktivitätsschub, was zu einer steigenden Nachfrage führen könnte. Der Bedarf nach Lebensversicherungen besteht weiterhin. Zwar benötigt die klassische Versicherung als langfristige Sparform noch stärkere Impulse von den Kapitalmärkten, doch mit der ersten Anhebung des HRZ seit 30 Jahren dürften Lebensversicherungen mit (reduzierten) Garantien für die Branche weiterhin relevant bleiben. Die Versicherer scheinen durchaus froh über die Akzeptanz ihrer Produkte mit geringerer Garantie zu sein, denn dadurch besteht Spielraum für Investments mit höheren Renditechancen bei gleichzeitig geringeren Solvenzkapitalanforderungen. (mho)