Kommt das Strafzins-Verbot?
02.09.2019
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Aus Deutschland kommt der letzte Papst, zahlreiche Kirchtürme ragen über die Dächer deutscher Städte und Martin Luther startete im deutschen Wittenberg die Reformation. Doch das heiligste Buch des Landes ist wahrscheinlich nicht etwa die Bibel, sondern das Sparbuch. In Anbetracht der sparfeindlichen Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) hat Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nun ein „Strafzins-Verbot“ gefordert! Was steckt wirklich dahinter?
„Retten Sie unser Erspartes, Frau Merkel!“ verlangte die BILD vor kurzem. Nur eine von vielen Schlagzeilen dieser Art, die aktuell die Niedrigzinspolitik der EZB verteufeln und die deutsche Politik zur Verteidigung der nationalen Sparkultur animieren. Im Juli hat Die Welt sogar die endgültige Enteignung des deutschen Sparers befürchtet.
„Warum habt ihr so viel Geld verschwendet?“
Diese dramatische Form der Abneigung gegen niedrige Zinsen ist in Deutschland kaum überraschend. Sparsamkeit als Tugend ist tief verankert in der nationalen DNA. Ihre Wurzeln reichen zurück bis zum schlichten, enthaltsamen Lebensstil der Anhänger Martin Luthers in der Reformation. Als die protestantischen Preußen dann im Deutschen Reich die Vorherrschaft übernommen und den Kaiser gestellt haben, wurden Sparsamkeit und spartanischer Lifestyle endgültig zur deutschen Leitkultur.
Legendär ist eine vielsagende Anekdote aus der Gründerzeit. Als die deutsche Wirtschaft nach dem gewonnenen Krieg von 1870/71 mit den hohen Reparationszahlungen der Franzosen geflutet wurde, bauten sich die Hannoveraner ein prächtiges neues Rathaus direkt am Maschsee. Bei einer Besichtigung soll Kaiser Wilhelm I die stolzen Stadtherren gefragt haben: „Warum habt ihr so viel Geld verschwendet? Hattet ihr nicht schon ein Rathaus?“
Panik wegen Protokoll
Diese Mentalität lebt bis heute weiter. Deutsche Haushalte haben schwindelerregende 2,4 Billionen Euro auf der Bank – fast so viel wie die Bürger Frankreichs und Italiens zusammen! Letztes Jahr haben die Menschen hierzulande ein Zehntel ihres verfügbaren Einkommens gespart. Damit ist die nationale Sparrate doppelt so hoch wie die der Briten.
Nun blickt das Volk der Sparer angespannt auf den 12. September 2019. Dann findet die vorletzte geldpolitische Sitzung der EZB in der Amtszeit des amtierenden Chefs Mario Draghi statt. Grund zur Sorge bietet den Sparfans das Protokoll der EZB-Ratssitzung Ende Juli. Daraus geht hervor, dass die EZB ein großes Paket zur Lockerung der monetären Politik anstrebe. Die Zentralbank befürchtet nämlich, dass die aktuelle Konjunkturschwäche im Euro-Raum womöglich viel länger anhalten könnte als bislang erwartet.
Was von einem Strafzinsverbot zu halten ist und warum die Deutschen möglicherweise selbst an den aktuellen Niedrigzinsen schuld sind, erfahren Sie auf Seite 2