Ist die Wirtschaft auf demographischen Wandel vorbereitet?

24.07.2018

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Auch in Krankenhäusern habe man sich bislang viel zu wenig auf die zunehmende Zahl alter, oft an Demenz leidender, Menschen eingestellt. So geht man laut Meyer-Hentschel Institut davon aus, dass etwa jeder fünfte Patient in einem Krankenhaus zusätzlich an Demenz leide. Darauf sei das Klinikpersonal aber häufig nicht vorbereitet. So gaben in einer kürzlich veröffentlichten Befragung 65 % der Ärztinnen und Ärzte an, sich im Umgang mit Demenzpatienten unsicher zu fühlen. Auch der hohe Zeitaufwand, den diese Patienten erfordern, wird als Problem geschildert.

Dennoch gibt es im Krankenhausbereich auch Lichtblicke zu vermelden. So trainiert die Charité – Universitätsmedizin Berlin seit 2009 Medizinstudenten im Umgang mit alten Patienten. So müssen die Studenten mit einem Alterssimulationsanzug in die Lebenswelt älterer Menschen eintauchen, um mehr Verständnis für diese zu bekommen. Ähnliche Wege gehen inzwischen auch einige Nahverkehrsunternehmen. So schult die RVM RegionalVerkehr Münsterland GmbH ihre Fahrer im geduldigen Umgang mit älteren Fahrgästen und einer „seniorenfreundlichen“ Fahrweise.

Industrie verlagert Kosten in den sozialen Bereich

Auch die Konsumgüterindustrie geht laut dem Meyer-Hentschel Institut noch deutlich zu wenig auf die Bedürfnisse älterer Menschen ein. So gäbe es zwar seit Jahren Schraubdeckel für Marmeladengläser etc., die sich mit wenig Kraft öffnen ließen. Diese seien auch in Großbritannien, den Niederlanden und der Schweiz bereits verbreitet – nicht aber in Deutschland. Problematisch sei auch, dass immer mehr ältere Menschen nicht mehr in der Lage seien, eine Mineralwasserflasche alleine zu öffnen. Dies müsse dann immer häufiger von Familienmitgliedern, Nachbarn und ambulanten Pflegediensten erledigt werden. Somit würde die Industrie Kosten zunehmend in den sozialen Bereich auslagern.

Während also bei kleinen Produkten noch sehr vieles im Argen liegt, sieht es bei größeren schon besser aus. So lobt das Meyer-Hentschel Institut die beiden Hersteller Miele und BSH (Bosch und Siemens Hausgeräte), die besonders kundenorientierte Hausgeräte herstellen würden. So hat BSH schon vor über 20 Jahren das Ziel formuliert, seine Hausgeräte benutzerfreundlich zu machen. Für Miele steht hohe Gebrauchstauglichkeit durch stimmige Ergonomie an oberster Stelle bei der Entwicklung neuer Hausgeräte. Die Handhabung der Geräte beider Marken wird auch von Stiftung Warentest bestätigt.

Einzelhandel passt sich den älteren Kunden an

Als positiv bewertet das Meyer-Hentschel Institut die aktuelle Entwicklung im Einzelhandel. So loben die Studienautoren, dass in Shopping-Centern und Geschäften immer mehr Ruhezonen eingerichtet werden.

Banken haben bislang zu wenig getan

Obwohl schon 1985 die Dachorganisationen der Sparkassen und Kreditgenossenschaften die Herausforderungen einer alternden Kundschaft erkannt und thematisiert haben, wurden von der Finanzbranche bis heute keine stimmigen und erfolgsversprechenden Konzepte für ältere Kunden entwickelt. Als Gründe hierfür macht das Meyer-Hentschel Institut aus, dass sich die Banken wohl auf die im Alter zunehmende Institutionentreue der Kunden verlasse und man bislang keine negativen Auswirkungen des bisherigen Nichtstuns erfahren habe. Jedoch würden erst die nächsten zehn Jahre zeigen, ob diese Untätigkeit auch von der jetzt ins Rentenalter kommenden Babyboomer-Generation akzeptiert werde.

„Am schnellsten reagierten die Personalabteilungen der Unternehmen. Ein steigendes Durchschnittsalter der Belegschaft hat unmittelbare Auswirkungen auf die Produktivität. Relativ klare Reaktionen zeigen auch Unternehmen und Branchen, die kundennah agieren. Beispiele sind Einzelhandel, Nahverkehr und Hausgeräte. Sehr viel weniger Veränderungsbedarf sehen offensichtlich Unternehmen, die nicht unmittelbar vom Kunden bezahlt werden, z.B. Krankenhäuser. Und besonders schwer mit dem demografischen Wandel tun sich Unternehmen in sehr profitablen oder stark reglementierten Branchen, z.B. Pharmaunternehmen, Banken“, fasst Institutsinhaber Gundolf Meyer-Hentschel, der sich seit 30 Jahren mit dem demographischen Wandel beschäftigt, die Ergebnisse zusammen. (ahu)

www.meyer-hentschel.com