Ist der Markt zu optimistisch
04.10.2022
Rolf Ehlhardt, Vermögensverwalter, I.C.M. Independent Capital Management Vermögensberatung Mannheim GmbH / Foto: © I.C.M.
Mit Risiken und Nebenwirkungen …
Eine nicht zu unterschätzende Nebenwirkung des Zinsanstiegs ist der feste Dollar. Er verteuert für die USA nicht nur den Export von Waren, sondern auch den Zinsaufwand der in US-Dollar hoch verschuldeten Staaten. Dies betrifft vor allem die Emerging Markets, die bisher zum Welt-Wirtschaftswachstum ihren großen Beitrag geleistet haben. So verschlechtern sich nicht nur deren Wachstumsaussichten, sondern auch die Bonität, vor allem dann, wenn das BIP bei steigenden Zinsen rückläufig wird. Damit wächst auch die Gefahr von politischen Unruhen.
Schon in Mitleidenschaft geraten sind die Anleger, die sich Niedrigzinsen auf 10 Jahre „gesichert“ haben. Allein wer Ende Juli 2022 den 2,75 % US-Treasury zu 102,50 % gekauft hat, sieht jetzt den Börsenkurs bei 92,50. Und wehe, man ist schon 2020 eingestiegen. Die 100-jährige 0,85 % Österreich-Anleihe notiert aktuell unter 44 %.
Zeiten eines Zinsanstiegs sind für die Aktienbörsen Gift. So auch in diesem Jahr. Allerdings mehren sich die Stimmen, dass der größte Teil der Zinsmaßnahmen getroffen sind und die Androhung weiterer Schritte nicht durchführbar sind. Die EZB spricht über das Sprachrohr Presse vom „größten Zinsschritt aller Zeiten“, verschweigt aber, dass die jetzigen 1,25 % im historischen Vergleich noch immer die niedrigsten Leitzinsen sind. Mit Ausnahme der Zeit der „Draghi-Manipulationen“. Bei einer Geldentwertung von über neun Prozent ist dieser „riesige Zinsschritt“ eine geradezu lächerliche Form der Inflationsbekämpfung. Die Wahrheit hat nun mal nichts zu tun mit der Anzahl der Menschen, die von ihr überzeugt sind.
Neue Chancen
Zusätzlicher Korrekturbedarf an den Aktienmärkten würde vor allem dann entstehen, wenn die Notenbanken die Zinsen jetzt höher „ziehen“, als die Märkte es erwarten. Die FED spricht inzwischen von 4,5 % (aktuell 3,25 %) in der Spitze. Sollten aber die Konsumenten ihr Verhalten nach der letzten Zinserhöhung verändern und in den „Sparmodus“ gehen, könnten mittelfristig größere Kursrückgänge drohen, auch wenn zuvor die Börse eine wahrscheinliche, erneute „Zinswende“ erst einmal feiern wird. Unter heutiger Voraussetzung wäre dies dann die Zeit, die Liquidität zu erhöhen.
Geben die Notenbanken zinsmäßig wieder Gas, fällt sehr wahrscheinlich der Startschuss für Gold & Co. Auch, weil damit auch die Wende für den US-Dollar eingeleitet wird. So schlecht wie in der Presse berichtet wird, ist es in 2022 für Gold sowieso nicht gelaufen (s. Grafik).
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Quelle: © I.C.M. Independent Capital Management Vermögensberatung[/caption]
Der Goldmarkt ist derzeit zweigeteilt. Großanleger halten es für richtig, aus strategischen Gründen einen Teil des Vermögens in Gold zu halten. Kurzfrist-Anleger trennen sich – zumindest teilweise – von Gold, da sie aufgrund von steigenden Zinsen und festerem Dollar wenig Kurspotential sehen.
Für die Edelmetalle und deren Produzentenaktien gilt weiterhin: Buy the dip.
Kolumne von Rolf Ehlhardt, Vermögensverwalter, I.C.M. Independent Capital Management Vermögensberatung Mannheim GmbH