Investmentethik: Das Wertvolle messbar machen, statt das Messbare wertvoll!
09.12.2024
Oliver Fischer. Verwaltungsratspräsident, Leiter Marktleistung und Partner bei Arete Ethik Invest. Foto: @ Arete Ethik Invest
Natürlich kann man das Vorhandensein von Richtlinien, Programmen, Kampagnen, Trainings zum Thema Diversität und so weiter messen. Doch genauso wie ein einzelner Cholesterinwert nichts über gesundheitliche Risiken oder gar die Lebenserwartung aussagt, können diese Indikatoren eine Unternehmenskultur nicht abbilden. Machen wir also das Messbare wertvoll, statt das Wertvolle messbar, weil sich (moralische) Werte schlecht als (numerischer) Wert ausdrücken lassen?
Natürlich: Trainings und Richtlinien sind nicht immer bloß ein Feigenblatt. Sie stellen aber eine echte Diversität und Gerechtigkeit allein nicht sicher. Wenn ein Unternehmen eine „Diversity Managerin” hat, aber keine Lohngleichheit - und diese Position sogar dazu führt, dass die Bemühungen zur Lohngleichheit weniger werden, da ja dem Anliegen schon genüge getan wurde - dann ist nichts gewonnen, im Gegenteil. Ebenso kann das Vorhandensein eines Lieferanten-Kodex kaum Aufschluss darüber geben, ob Kinder, die vormals in den Nähwerkstätten Bangladeschs für einen Hungerlohn schufteten, nun zur Schule gehen. Es kann aber sehr wohl das Gefühl vermitteln, dass Investor, Anleger und Unternehmen alles getan hätten, um das zu ermöglichen.
Man könnte eine Debatte anschließen, ob es einen universellen Kanon menschlicher Werte geben sollte und wenn ja, wie der aussehen kann, welche Verantwortung Firmen tragen (können) und welche Facetten überhaupt in eine Nachhaltigkeitsdebatte gehören. Das sprengt den Rahmen des Artikels und ist auch nicht Kern des Arguments. Kern des Arguments ist vielmehr, dass man in dem Moment, in dem man solch quantitative Indikatoren als (womöglich einziges) Bewertungskriterium komplexer Sachverhalte heranzieht, bereits eine Entscheidung über diese Fragen trifft - oder sie gar einem externen Datenanbieter überlässt - ohne sie sich bewusst gestellt zu haben. Ein „easy fix“, der davor bewahrt, sich mit schmerzhaften Entscheidungen herumzuschlagen.
Was bleibt?
Also doch nicht zählen, messen und wiegen? Jein! Einige Ursachen der drängendsten Probleme dieses Jahrtausends lassen sich durch Messen besser verstehen. Doch man sollte nicht der Versuchung nachgeben, das Leben auf unserem Planeten quantitativ abbilden zu wollen, ohne menschliche Kompetenzen wie Empathie, Intuition und Reflexion einzubeziehen: Ein Datenpunkt, auch wenn dieser sinnvoll und verlässlich gemessen wurde, ist immer nur so gut wie seine Interpretation, seine Kontextualisierung in einer komplexen Welt.
Es bleibt die nachvollziehbare und wichtige skeptische Frage nach der Validität: Was genau kann man hiermit wirklich aussagen und was nicht. Dafür braucht es nicht mehr Messgeräte oder „Datenheuhaufen“, in denen wir so lange fischen, bis wir etwas herausgezogen haben, auch wenn es kein Fisch, sondern ein Schuh ist. Wir brauchen vielmehr transdisziplinäres Denken, Austausch und Vernetzung, Reflexion von Menschen, Kompetenz und Empathie statt allein Korrelation und Signifikanz. Holistische Betrachtungen statt „>“, „<“ oder „Not collected“.
Es wird keinen Grenzwert eines Datenpunktes geben, mit dessen Erreichen die Welt „nachhaltig“ ist und nachhaltig bleibt. Bis vor etwas mehr als 100 Jahren hatten die meisten Menschen kaum einen Grund darum zu ringen, was Nachhaltigkeit heißt. Wir sind aber die erste Generation, die ernsthaft und existentiell darüber nachdenken muss, ob sie denen, die nach ihr kommen, eine Welt hinterlässt, in der menschliches Leben noch möglich ist.
Was bedeutet eigentlich „Investmentethik“ und kann man diese messen?
Investmentethik bedeutet für Arete Ethik Invest in der Vermögensverwaltung und für die PRIME VALUES Fonds auf langfristig zukunftsfähige und verantwortungsbewusste Unternehmen setzen.
Dafür haben wir fünf ethischen Perspektiven festgelegt:
1. Verantwortungsverständnis
2. Angebot
3. Prozesse
4. Schutz natürlicher Ressourcen
5. Image und Reputation
Nach diesen fünf ethischen Perspektiven werden in Frage kommende Aktien, Anleihen und Länder untersucht und bewertet.
Die Arete Ethik Invest AG ist eine unabhängige Investmentboutique. Als Pionierin der ethischen Geldanlage in der Schweiz und im DACH-Raum sind wir die Partnerin für die, die Anlageerfolg, Nachhaltigkeit und Ethik in Einklang bringen wollen.
Wir agieren im getrennten Investmentprozess
Unsere hauseigenen Ethik-Spezialisten überprüfen und bewerten die vom Fondsmanagement vorgeschlagenen Aktien, Unternehmen und Länder nach Ausschluss-, Positiv-, Negativ- und Abwägungskriterien.
Die Ethikanalysen führen dann über eine Skala von 0 bis 100 Punkten zu folgenden Bewertungen:- nicht vertretbar - vertretbar - positiv - hochwertig
Monatlich tagt das Ethik Komitee
Wen dies näher interessiert, der kann teilnehmen an einer der monatlich stattfindenden Ethik Komitee Sitzungen, in denen für oder gegen eine Aufnahme ins Anlageuniversum entschieden wird.
Selbstverständlich können auch Ethikanalysen angefordert und eingesehen werden. So entsteht neben der Investmentethik auch eine Investmenttransparenz.
Bewusstsein und Mut
In der Finanzwelt und Kapitalverwaltung haben wir den größten Hebel. Unser Bewusstsein bestimmt die Zukunft.
Geld eine Richtung geben? Nicht nur eine gute Idee, sondern eine absolute Notwendigkeit, wenn man a) Einfluss nehmen möchte und b) auch dabei sein will, wenn Ethik und Ökologie die Unternehmen ökonomisch belohnen, die sich schon heute entsprechend in die richtige Richtung bewegen.
Wenn das unabhängige Ethik-Komitee Titel ablehnt, darf das Arete-Fondsmanagement diese nicht investieren.
Gastbeitrag von Oliver Fischer, Verwaltungsratspräsident, Leiter Marktleistung und Partner bei Arete Ethik Invest.