Herrjemine!

30.12.2020

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Einer aktuellen Kurzumfrage zufolge steht es um die Digitalisierung der Versicherungsmakler nicht zum Besten. Pools berichten jedoch von einer Entwicklung nach vorne und davon, dass sie diese massiv mit technischer Hilfe unterstützen. Ein Marktteilnehmer spricht jedoch von viel heißer Luft und übt harsche Kritik. Nur in einem sind alle einig: Die Corona-Pandemie wirkt wie ein Turbolader.

Die Corona-Pandemie wirkt auch in der Versicherungsbranche als Beschleuniger der Digitalisierung. Doch obwohl Vermittler 2020 bei sich selbst einen merklichen Schritt in Richtung Digitalisierung wahrnehmen, stufen viele von ihnen das eigene Geschäft dennoch als wenig digitalisiert ein. Das zeigt ein ebenso aktuelles wie kurzes Stimmungsbarometer unter Geschäftspartnern der LV 1871. Die Mehrheit (80 %) der befragten Vermittler hat nach eigener Einschätzung 2020 einen merklichen Schritt in Richtung Digitalisierung gemacht. Der Großteil sieht Nachholbedarf bei der Digitalisierung: auf einer Schulnotenskala von 1 (vollständig digitalisiert) bis 6 (noch gar nicht digital) bewerteten sich die Vermittler im Durchschnitt mit der Note 4. Wie es um die digitale Akzeptanz der Makler allgemein steht, wollte finanzwelt deshalb von großen Pools wissen. Rolf Schünemann, Vorstandschef der BCA AG, erkennt mehrere Aspekte: „Bereits in den letzten Jahren zeigten sich einige Makler durchaus aufgeschlossen gegenüber digitalen Lösungen. Mit Ausbruch der Corona-Pandemie und den eingehenden Beschränkungen hat das Thema Digitalisierung jedoch noch einmal gewaltig an Fahrt aufgenommen.“ So hätten zahlreiche Makler inzwischen eine Video- und Onlineberatung in das Beratungsangebot integriert. Daneben stießen Online-Schulungsangebote wie etwa Webinare oder digitale Veranstaltungsformate auf eine gute Akzeptanz. Norbert Porazik, geschäftsführender Gesellschafter der Fonds Finanz Maklerservice GmbH, musste selbst einige Großveranstaltungen absagen: „Unser Fazit aus den beiden digitalen Veranstaltungen ist, dass die Makler sich sehr schnell für die neuen Umsetzungen und Tools geöffnet haben. Viele sind froh, dass es in der Branche nicht zu einem Stillstand gekommen ist und der Austausch und auch Weiterbildungsmaßnahmen, wie die IDD-Online-Zertifizierung, dennoch möglich waren.“ Inzwischen sei man mit Roadshows auch in Deutschland wieder unterwegs. Präsenzveranstaltungen stärkten die Bindung und Freundschaft zu den Vermittlern. Der persönliche Kontakt bleibe ein zentrales Merkmal der Beratungsbranche, der ihm selbst derzeit auch sehr fehle. Oliver Pradetto, Geschäftsführer der blau direkt GmbH & Co. KG, hingegen äußert deutliche Kritik: „Natürlich akzeptieren Makler das. Was da als glorreich digital verkauft wird, sind schließlich die gleichen Webinare, die es seit zehn Jahren in der Branche gibt.“ Genauso wie die Anbieter uralte Videokonferenzen und Streams als digitalen Durchbruch verkauften, verkauften sie einem dann im Anschluss auch den Erfolg ihres Formats. Da werde jeder Teilnehmer in einem Webinar einzeln gezählt und wenn er sich fünfmal neu einlogge, weil er zwischendurch mal rausfliege, werde er fünfmal gezählt. So komme man dann auf x-Tausend Teilnehmer. Die nüchterne Wahrheit sei dagegen: Kein Bildschirmformat könne das persönliche Miteinander ersetzen. Pradetto: „Auf einer Messe lief man unter Umständen mal in irgendwen rein und hat so etwas kennengelernt, nachdem man sonst nie gefragt hätte. In einer Digitalmesse hat man diese Effekte nicht.“ Die Makler stöberten nicht. Sie wählten genau da aus, was sie ohnehin machen wollten. Das sei effizient für den Makler, aber er bleibe in seiner Blase. Die Anbieter versuchten halt, irgendwie ihre Einnahmen zu retten, aber tatsächlich erhielten sie für ihr Budget statt einem Steak nur noch ein Foto von einem Steak.

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