Herausforderungen für Retailbanken und Family Offices

18.05.2020

Frieder Olfe / Foto: © imug rating

Fall 2: Herausforderungen für Family Offices

Auch in der umfassenden und sehr persönlichen Finanzberatung von Hochvermögenden lässt sich ein Wandel beobachten. Vertrauen, Kundenorientierung und v.a. eine fundierte Beratungskompetenz bleiben das Aushängeschild von Family Offices und privaten Bankhäusern bilden. Hinzu kommt aber auch hier zunehmend das Thema Nachhaltigkeit, wie uns beispielhaft ein Family Office berichtet: „Wir spüren unter unseren Kunden eine deutlich stärkere Nachfrage nach nachhaltigen Geldanlagen und haben entsprechend unsere Angebote erweitert. Es war uns in enger Absprache mit unseren Kunden wichtig, beim Thema Nachhaltigkeit keine halben Sachen zu machen und mit erfahrenen Akteuren zu arbeiten. Wir haben daher in Absprache mit unserem Asset Manager und den Nachhaltigkeitsrating-Agenturen imug und Vigeo Eiris gleich einen ambitionierten, zukunftsgerichteten Nachhaltigkeitsfilter für unsere nachhaltigen Anlagen entwickelt.“

Auch hier ergeben sich spezifische Herausforderungen aus den unterschiedlichen Präferenzen der Generationen. In den vergangenen Jahrzehnten gingen vermögende Privatkunden dem Bedürfnis, mit dem eigenen Geld einem gesellschaftlichen Verantwortungsgefühl nachzukommen, primär über das breitgefasste Vehikel der Philanthropie nach. Man legte einen Teil seines Einkommens und Vermögens zur Seite und spendete es an gemeinnützige Organisationen. Mitunter gründete man gar eine eigene Stiftung. Da sich insbesondere bei den Jüngeren immer mehr die Ansicht durchsetzt, dass eine jede Geldanlage auch eine gesellschaftliche Wirkung hat, zeichnen sich Unstimmigkeiten ab. Nicht selten sind sich die Generationen uneins, ob und wenn ja in welcher Form Nachhaltigkeitskriterien in die Vermögensstrategie eingebunden werden sollen. Hier ist einmal mehr die Beratungskompetenz gefordert: Es gilt zwischen bestehenden Anlagestilen und neuen, eventuell divergierenden Nachhaltigkeitsanforderungen zu moderieren.

Die Komplexität einer nachhaltigen Anlageberatung bedarf vieler Ressourcen – oder eines starken Partners

Obwohl das Thema in aller Munde ist, bestehen bei privaten – auch den jungen – Anlegern viele Unklarheiten fort: Bestehen Kompromisse hinsichtlich Risiko und Rendite? Worin unterscheiden sich Anlagestrategien, die auf Ausschluss, Integration oder Impact Investment basieren? Noch haben Finanzinstitute die Chance, sich im unübersichtlich werdenden Markt für nachhaltige Geldanlage zu positionieren – und nicht nur die regulatorischen Mindestanforderungen zu erfüllen, sondern ein glaubwürdiges Nachhaltigkeits-Profil zu entwickeln, um auch die kommenden Generationen von Anlegern anzusprechen. Immer mehr Finanzinstitute greifen daher auf die Kompetenz spezialisierter Nachhaltigkeitsrating-Agenturen zurück. Andere bauen eigene ESG-Kompetenzbereiche aus. Schon jetzt scheint klar: Nur mit Compliance wird es nicht reichen, es braucht eine umfassende Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeit.

Autor: Frieder Olfe (imug rating) berät Investoren und Finanzintermediäre zu nachhaltigen Anlagestrategien und deren Umsetzung.