Gut Ding will Weile haben

25.08.2020

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Bruchpiloten oder Pioniere

Im Hinblick auf die Umsetzung des Modells waren also erhebliche Befürchtungen angebracht. Und tatsächlich sieht es auf den ersten Blick so aus: Das Sozialpartnermodell ist mit großen Vorschusslorbeeren gestartet, mittlerweile aber offenbar eher als Bettvorleger gelandet. Muss man schon von einer Bauchlandung sprechen? Fabian von Löbbecke, Vorstandsvorsitzender von HDI Pensionsmanagement und Vorstand der HDI Lebensversicherung AG, sieht das positiver: „Die Gewerkschaft ver.di und der Talanx-Konzern wollen das voraussichtlich erste Sozialpartnermodell in Deutschland an den Start bringen. Umsetzungspartner wird ‚Die Deutsche Betriebsrente‘ sein, bei der Talanx zugleich Konsortialpartner ist. Das Sozialpartnermodell ist ja eine völlig neue, innovative Form der Betriebsrente. Talanx und ver.di sind Pioniere.“ Er sei sicher, dass viele weitere Tarifpartner diesem Weg folgen werden. Auch Dr. Jürgen Bierbaum, Vorstand der ALTE LEIPZIGER Lebensversicherung a. G., erinnert an den Zeitfaktor: „Die Einführung des Sozialpartnermodells stellt einen Paradigmenwechsel in der bAV-Welt dar. Die mit der Einführung der reinen Beitragszusage einhergehenden fundamentalen Neuerungen und Chancen müssen durch die Tarifparteien gründlich auf eine Umsetzbarkeit im eigenen Verantwortungsbereich hin geprüft werden.“ Dafür benötigten sie neben den wesentlichen Informationen über die am Markt verfügbaren Produktbaukästen auch eine gewisse Zeit. Dass dadurch noch keine Umsetzung eines Sozialpartnermodells erfolgt sei, sollte man nicht als generelle Absage an diese Systeme verstehen. Gerade kurz vor Ausbruch der Corona-Pandemie hab es positive Äußerungen von Sozialpartnern zu geplanten Einrichtungen von Sozialpartnermodellen in den nächsten Verhandlungsrunden gegeben. Dr. Bierbaum: „Von einer Bauchlandung kann daher unserer Ansicht nicht gesprochen werden. Die Mitglieder des Konsortiums ‚Initiative Vorsorge‘, dessen Konsortialführer die ALTE LEIPZIGER Lebensversicherung ist, gehen fest davon aus, dass sich Sozialpartnermodelle aufgrund der Chancen und Vorteile dieser Systeme mittelfristig etablieren werden.“ Möglicherweise seien aber gewisse Anpassungen der rechtlichen Rahmenbedingungen, wie z. B. die Möglichkeit, die Rentenhöhe ab Rentenbeginn zu garantieren, erforderlich, um die Attraktivität solcher Modelle zu erhöhen. Könnten vielleicht branchenübergreifende Lösungen Abhilfe bringen?

Branchenübergreifend nicht immer optimal

Von Löbbecke sieht das grundsätzlich positiv: „Wird ein Sozialpartnermodell im Flächentarifvertrag verankert, können alle tarifgebundenen Unternehmen darauf zugreifen. Der Vorteil: Alle Arbeitgeber einer Branche können eine vorkonfigurierte Altersversorgung nutzen, ohne selbst verhandeln zu müssen.“ Das reduziere den Aufwand, erleichtere den Zugang, könne die Verbreitung der Betriebsrente stärken und sei deshalb absolut sinnvoll. Wo keine Lösung per Flächentarifvertrag möglich sei, könnten einzelne Arbeitgeber das Sozialpartnermodell gemeinsam mit der jeweiligen Gewerkschaft auch per Haustarifvertrag einführen. Genau das täten Talanx und ver.di. Dr. Bierbaum sieht dabei jedoch auch Probleme: „Grundsätzlich ist der Zusammenschluss mehrerer Sozialpartner positiv zu bewerten. Die dabei entstehenden Skaleneffekte wirken sich positiv auf das jeweilige Sozialpartnermodell aus.“ Dabei müsse aber sichergestellt werden, dass die Belange aller Mitarbeiter in diesem Sozialpartnermodell, unabhängig von der Branche, in gleicher Weise berücksichtigt würden. Je nach den zwischen den Branchen bestehenden Unterschieden müsse dies nicht immer der Fall sein. Branchenübergreifende Modelle müssten daher nicht immer die beste Lösung für eine bestimmte Branche sein. Auch für einzelne Branchen oder große Unternehmen mit Haustarifverträgen ließen sich attraktive und bedarfsgerechte Sozialpartnermodelle gestalten. (hdm)