Geht die Lebensversicherung jetzt K.O.?
31.07.2018
Michael A. Hillenbrand, Vorstand Deutsche Verrechnungsstelle für Versicherungs- & Finanzdienstleistungen AG (dvvf) / Foto: © dvvf
"Das Geschäftsmodell des Run-Off mit dem Blick auf Kostengewinne hat bisher nicht funktioniert und macht bei dem Generali-Deal noch weniger Sinn. Die Generali selbst ist deutlich größer als Viridium und könnte daher auch deutlich leichter eine effiziente und kostengünstige Verwaltung etablieren."
Mit Unterstützung durch die Finanzaufsicht rechnet Kleinlein jedoch nicht: "Leider haben wir bei der Bafin den Eindruck gewinnen müssen, dass eher die Interessen der Versicherer im Vordergrund stehen, als die der Verbraucherinnen und Verbraucher."
"Wenn ein Investor diese Bestände kauft, dann tut er das mit dem Ziel, möglichst viel Rendite zu erwirtschaften." Das gehe aber nur, "wenn er den Versicherten möglichst viele Überschüsse vorenthält und in die eigene Tasche steckt."
Allen Marktteilnehmern muss klar sein, dass auch Run-off-Gesellschaften nicht zaubern können. Aber sie können leichter unpopuläre Maßnahmen ergreifen und sind vor regulierenden Eingriffen der BaFin nicht gefeit. Vor diesem Hintergrund sollte man dem § 314 VAG5 etwas Aufmerksamkeit schenken.
(1) Ergibt sich bei der Prüfung der Geschäftsführung und der Vermögenslage eines Unternehmens, dass dieses dauerhaft nicht mehr imstande ist, seine Verpflichtungenzu erfüllen, die Vermeidung des Insolvenzverfahrens aber zum Besten derVersicherten geboten erscheint, so kann die Aufsichtsbehörde das hierzu Erforderlicheanordnen, …
(2) Unter der Voraussetzung nach Absatz 1 Satz 1 kann die Aufsichtsbehörde, wennnötig, die Verpflichtungen eines Lebensversicherungsunternehmens aus seinenVersicherungen dem Vermögensstand entsprechend herabsetzen…
Ein klassischer Lebensversicherer würde derartige Schritte mit allen Mitteln (z. B. Garantien, oder Gelder der Konzernmutter) zu verhindern versuchen, weil der Reputationsschaden auf alle Konzernunternehmen durchschlagen würde.
Das Reputationsrisiko von Unternehmen wie Viridium oder Frankfurter Leben, die reine Run-off-Gesellschaften darstellen, erscheint doch gering. Denn, diese Gesellschaften müssen nicht um Kunden werben. Ihre Kunden sind die Versicherer, die den Run-off betreiben. Wer kann sich also sicher sein, dass es nicht zum Geschäftsmodell gehören könnte, niedrigere Erträge als der ursprüngliche Versicherer weiterzugeben. Auch eine langfristige Herabsetzung der Garantien kann nie völlig ausgeschlossen werden. § 314 VAG lässt das zu.
Die Generali hat in Pressemeldungen beschwichtigt. Man hat erklärt, dass der Käufer die Bestände effizienter verwalten könne und auch keine Vertriebskosten tragen müsse. Das gebe ihm die Möglichkeit höhere Erträge auszuschütten.
Das leuchtet zunächst ein. Wenn man aber berücksichtigt, dass die Generali nicht die Versicherungsverträge im Wege der Bestandübertragung verkauft hat, sondern nur 89,9 % der Aktien der Generali Leben einen neuen Eigentümer gefunden haben, ändert sich zunächst nichts. Ob eine Reorganisation der Generali Leben fruchtet, ist fraglich, denn dies wäre auch für den Generalikonzern selbst möglich gewesen. Die Verwaltungskosten werden wohl zunächst gleichbleiben.
Mit Blick auf die Vertriebskosten ist festzuhalten, dass das Gros der Vertriebskosten in den ersten Jahren anfallen und sie somit bei Altverträgen längst aus den Kundenbeiträgen refinanziert wurden. Die laufenden Vertriebskosten (Folgeprovisionen) muss die Generali Leben weiterbezahlen, weil sich mit dem Wechsel des Eigentümers die Vermittlungsverträge nicht verändern, wenn die Vermittler nicht neue Verträge akzeptieren und auf die Folgeprovisionen verzichten.
Man darf also sehr skeptisch sein.
BMF und BaFin scheinen sich jedenfalls auf massivere Schritte vorzubereiten, wie dieser Hinweis auf S. 22 zeigt:
„Präzisierungen der Regelungen zum gesetzlichen Sicherungsfonds werden ein schnelles und effizientes Verfahren gewährleisten, falls erstmalig der Bestand eines Lebensversicherers auf den gesetzlichen Sicherungsfonds übertragen werden müsste."
Alle betroffenen Kunden sollten im Grunde, mit Hilfe ihrer Berater, eine Investitionsrechnung anstellen und prüfen, welche Perspektiven Fortführung oder Auflösung bieten. Würde sich bei den Verträgen um klassische Kapitalanlagen handen, würde der Kunde von seinem Vermittler/ Berater wahrscheinlich erwarten, dass ihm Szenarien für einen sog. Assetwechsel unterbreitet werden.
Autor: Michael A. Hillenbrand, Vorstand Deutsche Verrechnungsstelle für Versicherungs- & Finanzdienstleistungen AG