Frankreich muss politische Dividende erhalten

20.04.2017

Senior Economist, Macro & Strategy bei NN Investment Partners / Foto: © NNIP

Alle Augen richten sich auf die Wahlen in Frankreich – aus gutem Grund. Immerhin war die Achse Frankreich-Deutschland die treibende Kraft für die europäische Integration. Infolgedessen profitierte Frankreich enorm von einer „politischen Dividende“, die zur Folge hatte, dass die Risikoprämien französischer Staatsanleihen in den letzten Jahren weniger stark stiegen als bei italienischen, spanischen und portugiesischen Staatspapieren. Darüber hinaus war 2011 und 2012 kaum ein Abzug von Einlagen aus dem französischen Bankensystem festzustellen, während dies in den anderen Peripherieländern ein echtes Problem war. Die politische Dividende Frankreichs war hauptsächlich darauf zurückzuführen, dass die Märkte ein wesentlich geringeres Risiko sahen, dass sich Frankreich von der EU abwenden würde. Bis zu einem gewissen Grad erwies sich dies als selbsterfüllende Prophezeiung (weniger Druck auf Staatsanleihen und Bankbilanzen), aber bis zu einem gewissen Punkt wurde auch angenommen, dass Deutschland größere Anstrengungen unternehmen würde, Frankreich bei der Stange zu halten, als für die anderen Peripherieländer. Dies ist wahrscheinlich immer noch der Fall, aber wenn die Franzosen selbst entscheiden, dass sie austreten möchten, kann Deutschland natürlich nichts machen. Deshalb schlägt sich das Risiko einer Präsidentschaft von Marine Le Pen (oder Jean-Luc Mélenchon) in der Wahrscheinlichkeit nieder, dass diese politische Dividende verschwindet. Das ist im Wesentlichen der entscheidende Faktor für die französische Risikoprämie.

Es muss betont werden, dass Frankreich nicht nur wegen der oben erwähnten politischen Dividende kein typisches Peripherieland ist. Die französische Staatsverschuldung liegt knapp unter 100 Prozent, und das französische Bankensystem befindet sich in einer ziemlich guten Verfassung. Die langfristigen Aussichten für das französische Wachstum sind ebenfalls recht gut, sofern der nächste Präsident Reformen durchsetzt. Tatsächlich ist die französische Arbeitsproduktivität durchaus vergleichbar mit der deutschen. Frankreich hat jedoch eine höhere strukturelle Arbeitslosenquote als Deutschland, was eine Erklärung für dieses Ergebnis sein könnte. Während wenig produktive Arbeitnehmer in Deutschland beschäftigt sind, ist in Frankreich eine signifikante Zahl derer strukturell arbeitslos. Im Gegensatz dazu ist die totale Faktorproduktivität (die Effizienz, mit welcher der gesamte Input in Output verwandelt wird) in Frankreich schwächer. Damit scheint reichlich Spielraum für eine anhaltend gute Produktivitätsentwicklung und einen Rückgang der strukturellen Arbeitslosigkeit vorhanden zu sein. Letzteres lässt sich durch Arbeitsmarktreformen erreichen, die für sich genommen das Wachstum der Arbeitsproduktivität hemmen. Durch eine Produktmarktreform ließe sich jedoch gleichzeitig das Wachstum der totalen Faktorproduktivität stärken. In dieser Hinsicht gibt es in Frankreich eine Menge an leicht realisierbarem Potenzial, und wenn der nächste Präsident und die nächste Regierung den Mut haben, dies zu nutzen, könnte Frankreich eine potenzielle Wachstumsrate von knapp 2 % erreichen. Damit wäre die Staatsverschuldung ziemlich nachhaltig.

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