Flucht in sichere Häfen

25.02.2020

Felix Herrmann, Kapitalmarktstratege bei BlackRock / Foto: © BlackRock

Der EU-Sondergipfel in Brüssel in der vergangenen Woche konnte leider auch nicht als Stimmungs-Aufheller herhalten. Zentraler Zankapfel: der mehrjährige EU-Finanzrahmen. Die Fronten auf dem Gipfel waren dabei in jeglicher Hinsicht verhärtet: Nettozahler gegen Nettoempfänger, Ost gegen West, Länder, denen beim EU-Beitrag ein Rabatt gewährt wird gegen solche, die keinen bekommen. Wenig überraschend ging der Gipfel dann auch ohne Ergebnis zu Ende. Europaoptimisten könnten die Querelen in Brüssel als lediglich vorübergehendes Ungleichgewicht interpretieren, welches sich nach dem Austritt der Briten unweigerlich ergeben musste. Pessimisten, die sicher in der Mehrzahl sind, werden den Gipfel als weiteres Symptom dafür sehen, dass Europa immer weiter auseinanderdriftet und sich international somit unter dem Strich weiter selbst verzwergt. Es ist schlicht frustrierend zu sehen, wie Europa aufgrund seiner Handlungsunfähigkeit zwangsläufig mehr und mehr zum Spielball von China und den USA wird.

Auch das Momentum von Finanzmarkt-Schreckgespenst Bernie Sanders bei den Vorwahlen der US-Demokraten trägt sicher nicht gerade zur Beruhigung der Anleger bei. Strenggenommen war es zuletzt wohl vor allem das enttäuschende Bild, das Michael Bloomberg beim „Caucus“ in Nevada abgegeben hat, welches Hoffnungen vieler Anleger auf einen gemäßigten Kandidaten der Demokraten geschmälert hat. Wer die Debatte in Las Vegas letzte Woche im Fernsehen verfolgt hat, dürfte sich des Eindrucks kaum erwehren können, dass Bloombergs Kampagne womöglich beendet ist, bevor sie so richtig angefangen hat. Die tölpelhafte Art und Weise, wie er mit erwartbaren Angriffen seiner Kontrahentinnen und Kontrahenten umging, dürfte selbst seine Anhänger geschockt haben. Bereits in der kommenden Woche könnte Sanders beim „Super Tuesday“ für eine Vorentscheidung sorgen. Nicht auszuschließen, dass Bloomberg danach bereits keine Rolle mehr im Vorwahlkampf spielt.

Was das für Anleger bedeutet

Aus „Buying the Corona dip“ seit Anfang Februar wurde ab letztem Donnerstag wieder nackte Angst, die zu Beginn dieser Woche in einem massiven Abverkauf an den Aktienmärkten gipfelte und Anleger in Scharen in sichere Häfen trieb. Offenkundig machte sich die Erkenntnis breit, dass sowohl der ökonomische Schaden durch das Virus in China als auch die Gefahr einer weltweiten Pandemie unterschätzt wurde. Der Goldpreis machte einen kräftigen Satz nach oben und der 10-jährige Zins für US-Staatsanleihen fiel in Richtung seines Allzeittiefs. Hinter dem Renditerückgang verbirgt auch die Vermutung, die US-Notenbank könnte die Zinsen angesichts der negativen Auswirkungen des Virus auf die globale Nachfrage und auch das globale Angebot zeitnah senken. Alles andere als zumindest eine weitere Zinssenkung seitens der Fed bis Jahresende wäre mittlerweile eher eine Überraschung.

Nach wie vor ist nicht davon auszugehen, dass das Virus Grundsätzliches an dem Makro-Regime ändern wird, in dem wir uns seit langer Zeit befinden (geringe Inflation, geringes Wachstum, geringe Schwankungen bei den Erwartungen hinsichtlich Inflation und Wachstum gepaart mit geringer Marktvolatilität). Dennoch wird das Virus die Märkte wohl noch eine Weile im Griff behalten, sodass taktische Überlegungen der Investoren strategische bis auf weiteres dominieren dürften.