Finanzkrise reloaded?
03.07.2023
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Knapp 15 Jahre nach der schweren Wirtschafts- und Finanzkrise löste die Pleite der US-amerikanischen Silicon Valley Bank (SVB) im Frühjahr eine Diskussion um die Stabilität der Finanzinstitute aus. Im Zuge der Übernahme der Schweizer Großbank Credit Suisse durch den Konkurrenten USA wurden diese Stimmen lauter. Wie sicher sind die Institute? Wackeln die Riesen? Eines scheint sicher – die Lage ist mit der aus 2008/09 nicht unbedingt vergleichbar.
Rückblicke in die Historie sind vielleicht nicht immer hilfreich, aber gelegentlich geben sie eine Orientierungshilfe. „Bankenkrise und Zinserhöhungen: Aufprall in der Realität“, titelte beispielsweise das Magazin Capital Anfang Mai. Schon werden Vergleiche zur Situation von vor mehr als 15 Jahren gezogen. Auch damals ging die Krise von den USA aus, konkret vom Geschehen auf den Immobilienmärkten. Die Finanzkrise, die sinnbildlich im Kollaps der Lehman Brothers ihren Ausdruck fand, erschütterte zuerst das Finanzsystem und ging dann in eine veritable Verschuldungskrise in Europa über. Zwar gelang es den Zentralbanken, ausreichend flüssige Mittel bereitzustellen. Dennoch verloren viele Marktteilnehmer das Vertrauen in die Finanzinstitute und hielten sich bei Investitionen zurück. Die Folge war, dass der Handel auf den Kapitalmärkten zum Erliegen kam. Die Börsenkurse rauschten ab und die Volkswirtschaften rund um den Globus rutschten in eine schwere Rezession. Soweit der Blick zurück. Und 2023? Sehen wir Ähnliches?
Zinswende – Fluch oder Segen?
Nach der Pleite der SVB und der „Rettung der Credit Suisse“ war die Verunsicherung groß: Ist die lange ersehnte Zinswende doch eher Fluch als Segen? Wie schaut es bei den Risiken der Finanzinstitute aus? Die Pleite der Silicon Valley Bank kam für viele Marktteilnehmer wie aus dem Nichts und sorgte für Angst vor einer erneuten Bankenkrise. Finanzaktien weltweit verloren zig Mrd. US-Dollar an Börsenwert. So rutsche die Aktie von JP Morgan im März innerhalb von zwei Wochen von 144 auf 125 US-Dollar ab. Bei anderen Instituten sah es ähnlich aus. Nervosität kam auf, leichte Panik setzte ein, die dann in einem Abverkauf dieser Finanzwerte mündete. Hinzu trat die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS. Auch in Europa ging es mit den Kursen bergab. Der STXE 600 Banken-Index sackte von 168 auf 138 Punkten ab. Stand 24. März 2023. Doch diese miese Stimmung scheint sich im Laufe der zurückliegenden Wochen wieder gebessert zu haben. So hat sich die Aktie von JP Morgan seit ihrem Tief wieder deutlich auf 137 US-Dollar (08.05.) erholt. Ganz ähnlich sieht es bei weiteren großen US-Banken aus. Die Citigroup konnte den Gewinn im 1. Quartal um 8 % auf 4,6 Mrd. US-Dollar erhöhen und die Bank of America machte ebenfalls deutlich mehr Gewinn als im Jahr zuvor. Die großen Player im Bankenmarkt profitierten von stark gestiegenen Zinseinnahmen.
Krise abgesagt? Das wäre doch zu kurz gesprungen. Denn viele kleinere US-Regionalbanken haben indes weiter mit den Auswirkungen der Zinserhöhungen zu kämpfen. Das rührt daher, weil es zu Bewertungsverlusten bei Staatsanleihen kam und Kreditausfälle bei Gewerbeimmobilien zunahmen. „Wie groß wird die Regionalbankenlawine noch?“, titelte die WirtschaftsWoche Anfang Mai. Auslöser waren weitere Pleiten, so beispielsweise die First Republic Bank. Das Finanzinstitut hatte zuvor noch einen satten Abfluss von Einlagen im 1. Quartal zu beklagen. Kurzum übernahm JP Morgan in letzter Sekunde die Bank. Doch das Vertrauen in die Bankenlandschaft, zumindest in den USA, bleibt erschüttert. Wer ist der nächste Kandidat, den es in Folge der Zinserhöhungen erwischt?
Und die europäischen Finanzinstitute?
„Die europäischen Großbanken haben sich im vergangenen Jahr unterm Strich erfreulich positiv entwickelt“, so das Fazit einer Studie aus dem Hause EY. „Trotz der Belastungen aus Krieg, Inflation und Energiekrise konnten die Institute von der Zinswende profitieren und ihren Gewinn teils deutlich erhöhen.“ EZB-Gouverneur Luis de Guindos sagte auf einer Pressekonferenz, die europäischen Banken befänden sich in wesentlich besserem Zustand als die amerikanischen Institute. Er erwarte keine Ansteckung durch die Ereignisse in den USA. Nun denn… Für die USA gilt, dass die Politik der Notenbanken Wirkung zeigt. Die Kreditvergabepolitik der US-Banken hat sich in den letzten Monaten deutlich verschärft und wirkt inflationsdämpfend. Eine Rezession, die zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht ausgeschlossen ist, könnte jedoch die Ausfallraten speziell im Gewerbeimmobiliensegment ansteigen lassen. Dann wären weitere Regionalbanken in schwerem Fahrwasser. (ah)
Fazit
In Krisenzeiten bedarf es Vertrauen. Nur wenn diese garantiert ist und nicht über Unsicherheiten hinwegtäuscht, bleiben Anleger zumindest gelassen. Indes ist der Kurs der Notenbanken beim Kampf gegen die Inflation scheinbar alternativlos. In der Summe werden die größten Player am Markt noch stärker, die schwächeren scheiden aus oder werden übernommen. In den vergangenen mehr als zehn Jahren hatte die Finanzmarktstabilität Priorität. Eine Krise à la 2008/09 ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht sichtbar. Dennoch sollten Investoren genau auf das Geschäftsmodell und die Bilanzstärke der Banken schauen.