Fairness und Kundenfokus?

12.06.2016

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finanzwelt: Und dann gibt es da ja auch noch die Alternativen, oder wie Sie, Herr Kaiser, sagen, die Schattenprodukte. Möglicherweise mit Haftungsrisiken verbunden. Rothe: Bei unserer Multiriskversicherung SLP-Existenzschutz haben wir gesagt, wenn der Makler das gut dokumentiert, treten wir auch in Haftungsdingen ein. Bei bestimmten Berufsgruppen lässt sich das übrigens einfacher erklären als eine BU. Kruse: Letztlich spielen aber doch auch finanzielle Aspekte und die Risikoaffinität des Kunden eine Rolle. Nicht für jeden Kunden muss die Berufsunfähigkeitsversicherung zwangsläufig die einzige Lösung sein. Wenn ein mündiger Kunde sich bewusst für eine andere Absicherungsform entscheidet und bereit ist, gewisse Risiken in Kauf zu nehmen, muss dies auch akzeptiert werden. Die Haftungsrisiken minimiere ich als Makler, wenn ich den Kunden auf die Gefahren hinweise, die seine Entscheidung birgt, und dies dokumentiere. Schwalb: Vor dem Hintergrund, dass der Spread zwischen den einzelnen Berufsgruppen in der BU immer größer geworden ist, waren letztlich Alternativprodukte notwendig. Kettnaker: Die Komplexität unserer Versicherungswelt ist nicht mehr wegzudiskutieren. Und vom Makler muss man einfach erwarten können, dass er sich weiterbildet. Unsere technische Unterstützung dazu hat er. In jedem Fall sollte der Makler in der Lage sein, die Bedingungen in der BU und bei Produktalternativen klar voneinander abzugrenzen. Kruse: Die Komplexität in Bedarfssituationen zeichnet den guten Makler ja erst aus. Hier kann er sich noch beweisen und auch gegenüber digitalen Angeboten abgrenzen. finanzwelt: Allerdings gibt es auch im Maklerkosmos gerne immer wieder reine Produktverkäufer, für die eine hinterfragende Beratung erst an 2. Stelle kommt. Kettnaker: Als verantwortlich handelnde Versicherungsunternehmen müssen wir verdeutlichen, dass langfristiger Erfolg in aller Regel das Ergebnis guter Kundenberatung ist. Deshalb ist die Schulung wichtig, nicht nur das Marketing. Wir müssen Makler auf ihre Qualität hin auswählen, ohne die sie keine Vertriebspartner werden dürfen. Rothe: Wir persönlich analysieren laufend die Geschäftsqualität der mit uns kooperierenden Makler – zum Beispiel im Hinblick auf ihr Storno. Notfalls trennen wir uns auch, und zwar unabhängig von der Quantität des vermittelten Geschäfts. finanzwelt: Kommen wir doch zum Thema Leistungsregulierung. Schwalb: Es stimmt einfach nicht zu sagen, die Leistungspolitik der Versicherer sei inhuman, gerade mal 75 % der Fälle würden zufriedenstellend abgewickelt. Dies entspricht nun wirklich nicht der Wahrnehmung im Markt. Kettnaker: Ich weiß sehr wohl, wie es zu solchen Fehleinschätzungen kommt. Man muss aber den Barwert eines jeden einzelnen Falles betrachten, da kommen schnell mal 500.000 Euro zusammen. 74 % aller Ansprüche erkennen wir tatsächlich an. Allerdings gibt es ja nicht das Instrument einer Teilanerkennung. Vor diesem Hintergrund müssen letztlich viele Aspekte im Zusammenspiel betrachtet werden. Jeden BU-Fall müssen wir mit dem entsprechenden Berufsbild zusammenbringen. Ein Ingenieur beispielsweise kann draußen arbeiten, aber auch zu Hause am PC. Hinzu kommen noch andere Probleme. Beispielsweise, dass manche Arztberichte erst nach 5 Monaten eintrudeln. Letztlich kommt es darauf an, das gesamte Versichertenkollektiv im Auge zu behalten und zu schützen. Kaiser: Die zahlen eh nie, stimmt sowieso nicht. Es ist aber auch grundsätzlich schwierig, mit Zahlen zu hantieren. Oft melden sich Kunden nach der Antragstellung einfach nicht mehr. Und, wie Herr Kettnaker schon sagte, muss stets das Berufs- mit dem Krankheitsbild verknüpft werden, das ist alles sehr kompliziert. Eine Hausratversicherung kapiert jeder, BU-Bedingungen kann man 20-mal lesen und versteht sie immer noch nicht. Wir haben es hier mit einer komplexen Situation zu tun. Einerseits kann und darf kein Versicherer Geld zum Fenster hinauswerfen. Andererseits befindet sich derjenige Kunde, der einen Leistungsantrag stellt, in einer schwierigen persönlichen Situation. Schließlich ist er sehr krank, das dürfen wir nicht vergessen. Sicher gibt es Versicherer, die dabei keine glückliche Hand haben, oder mit ungerechtfertigten Ablehnungen Kosten sparen wollen. Und dann taucht Lieschen Müller im Fernsehen auf, und ihr vermeintlicher Fall wird weidlich ausgeschlachtet. Solch ein Mist bringt die ganze Branche in Verruf.