EZB begeht den nächsten Fehler

01.01.1970

Dr. Eckhard Schulte. Foto: MainSky

Die Geldpolitik muss vorausschauend handeln, weil sie mit deutlicher Verzögerung wirkt, soweit die Theorie. Die Praxis allerding sieht anders aus. Zunächst haben die beiden wichtigsten Notenbanken der Welt zu spät auf die schnell steigende Inflation reagiert. Und nachdem sie den richtigen Zeitpunkt für eine erste Zinserhöhung verpasst hatten, starteten sowohl die Fed als auch die EZB eine in Tempo und Ausmaß historisch einmalige, geldpolitische Straffung, die mit jeder weiteren Zinserhöhung die Risiken für eine globale Rezession deutlich erhöht.

Der MainSky-EZB-Indikator modelliert die Reaktionsfunktion der Europäischen Zentralbank, d.h. er schaut auf die Größen, die in der Vergangenheit die geldpolitischen Entscheidungen ausgelöst haben. Primär handelt es sich dabei um das Wirtschaftswachstum und die Inflation, wobei die konjunkturelle Entwicklung der wichtigere Faktor ist, da das Wachstum von heute die Inflation von morgen bestimmt und die Inflation somit eher eine nachlaufende Variable ist.

Ein Indikator über null bedeutet nun, dass in diesem Sinne Zinserhöhungen angezeigt sind, unter null dagegen eher Zinssenkungen. Aktuell ist der Indikator unter null gefallen, weshalb die EZB vor dem Hintergrund der Entwicklung von Wachstum und Inflation eigentlich die Zinsen senken müsste. Erhöht sie jetzt am 27. Juli allerdings die Leitzinsen wie erwartet um weitere 25 Basispunkte, begeht sie den gleichen Fehler wie 2008 und 2011. In beiden Fällen war eine Rezession die Folge.

Auch jetzt erhöhen beide Notenbanken die Zinsen weiter in die bereits schwächeren Wirtschaftsdaten hinein. Die globale Industrie befindet sich bereits in der Rezession und zeigt starke disinflationäre Tendenzen. So liegt auch der aktuelle Einkaufsmanagerindex der deutschen Industrie bei 38 und damit nicht nur weit unter der Expansionsschwelle von 50 Punkten, sondern auch nahe des Corona-Tiefs von 2020. Noch hält der Dienstleistungssektor die Konjunktur über Wasser, aber dieser läuft tendenziell nach und wird mehr und mehr durch die restriktiver werdende Kreditvergabe im Zuge der steigenden Zinsen belastet. Die aktuelle Geldpolitik von Fed und EZB ist prozyklisch und droht, eine vollkommen vermeidbare Rezession auszulösen

Marktkommentar vo Dr. Eckhard Schulte, Vorstandsvorsitzender MainSky Asset Management.