"Digital Assets sind für uns eine eigene Assetklasse"

18.12.2024

Dr. Eduard Baitinger. Foto: @ FERI AG

Das große Jahresendgespräch mit Dr. Eduard Baitinger. Der Leiter Asset Allocation der FERI AG stellt sich den Fragen von finanzwelt. Wir gehen auf die zentralen Themen im nun ablaufenden Jahr ein und wagen einen Blick in 2025.

finanzwelt: Herr Baitinger, zunächst der Blick in den Rückspiegel: Ein gutes Anlagejahr liegt hinter uns. Viele Aktienindizes erklommen Rekordstände. Hatten Sie damit in dieser Form gerechnet?

Dr. Eduard Baitinger: Das Anlagejahr hat sich tatsächlich als sehr erfolgreich herausgestellt. Viele Leitindizes dürften das Börsenjahr mit zweistelligen Renditen abschließen. Es wäre vermessen zu behaupten, dass eine solche Entwicklung von uns als FERI als Hauptszenario erwartet wurde.

Einen wichtigen Anteil an den starken Avancen haben fundamentale Faktoren. So hat sich in den USA das von den Märkten bevorzugte „Soft Landing“-Szenario durchgesetzt. Hierbei wächst die Wirtschaft genauso hoch, dass weder Inflationsrisiken noch Rezessionssorgen aufkeimen. Das hat der Fed und anderen globalen Notenbanken ermöglicht, Leitzinssenkungen vorzunehmen, was die Märkte zusätzlich beflügelt hat. Zudem haben sich Unternehmens-gewinne im Aggregat freundlich entwickelt, auch wenn das Wachstum der Gewinne hauptsächlich durch Technologiewerte und Unternehmen mit KI-Bezug getragen wurde.

Gleichzeitig sollte man jedoch beachten, dass ein nicht unerheblicher Teil der Kursentwicklung nicht durch fundamentale Faktoren gedeckt ist und auf eine Bewertungsausweitung zurückzuführen ist. Hierbei leiht man sich sozusagen Renditepotenziale aus der Zukunft und muss diese zu einem späteren Zeitpunkt in Form reduzierter Renditen zurückzahlen. Diesen Umstand sollten Investoren bei ihrer strategischen Asset Allocation berücksichtigen.

finanzwelt: Schauen wir etwas genauer hin: Die USA sind das Zugpferd der Weltwirtschaft. Rezession ausgeblieben. Hält hier der Rückenwind im kommenden Jahr unter der neuen Administration an?

Baitinger: In der Tat hat sich die US-Wirtschaft – und insbesondere der US-Konsument – auch in diesem Jahr als bemerkenswert robust erwiesen und damit die Erwartungen vieler Marktteilnehmer übertroffen. Ein weiterer Treiber war auch die expansive Fiskalpolitik, mit der die USA einen Teil ihres Wirtschaftswachstums erkauft haben, allerdings um den Preis eines stark defizitären Staatshaushalts.

Aktuell präsentieren sich die Makrodaten stabil. Die bereits umgesetzten Zinssenkungen der Fed dürften das Wirtschaftswachstum in den kommenden Quartalen zusätzlich stützen. Im späteren Jahresverlauf 2025 sehen wir allerdings klare Inflationsrisiken. Denn die Trump-Administration wird voraussichtlich eine stimulierende Fiskalpolitik verfolgen, die jedoch auf eine spätzyklische US-Wirtschaft trifft. Die Folge solch einer Konstellation ist in der Regel ein Anstieg der Inflation, da die Wirtschaft überhitzt. Zusätzlich ist davon auszugehen, dass Trump im großen Stile Importzölle einführt, die den Inflationsdruck zusätzlich anheizen dürften.

finanzwelt: Glauben Sie, dass die Fed sogar die Zinsschraube wieder nach oben drehen könnte?

Baitinger: Vor dem Hintergrund der skizzierten Inflationsrisiken im Verlauf von 2025 ist das ein plausibles Szenario. Die Finanzmärkte ahnen das ebenfalls und haben damit angefangen, die für das Jahr 2025 ursprünglich erwarteten zahlreichen Zinssenkungen auszupreisen. Noch aber erwarten die Märkte moderate Zinssenkungen und eben keine Zinsanstiege. Sollte sich jedoch die Erkenntnis durchsetzen, dass die Fed erneut an der Zinsschraube nach oben drehen muss, drohen deutliche Anstiege der Marktzinsen. Das würde nicht nur die US-Renten, sondern auch US-Aktien, die aufgrund der hohen Bewertungen eine ausgeprägte Zinssensitivität aufweisen, zumindest temporär empfindlich treffen.

finanzwelt: „Europa im Jammertal“. Das ist vielleicht etwas übertrieben. Aber der Wachstumsmotor stottert gewaltig. Deutschland und Frankreich, einst Vorreiter, nun Sorgenkinder der EU. Welche Impulse bedarf es?

Baitinger: Wenn Europa die Neuordnung der Welt aktiv mitgestalten will, muss es vor allem einig auftreten: Der deutsch-französische Motor, der oft europäische Reformprozesse angestoßen hat, muss dringendst neu angeworfen werden, unabhängig von der Zusammensetzung der Regierungen in Berlin und Paris. Auf EU-Ebene hat Frau von der Leyen signalisiert, dass ihre Kommission in der laufenden Amtsperiode nicht in erster Linie neue Regulierungspapiere verfassen, sondern die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft in den Fokus rücken will. Der Draghi-Report enthält die notwendigen Maßnahmen – jetzt ist schnelles Handeln gefragt. Weitere Freihandelsabkommen über Mercosur hinaus, die Schaffung einer Kapitalmarktunion und die gezieltere Förderung von Forschung und Entwicklung sowie deren Konzentration auf zukunftsträchtige Bereiche sollten auf der Agenda oben stehen, bestandserhaltende Subventionen dagegen am besten gar nicht.

finanzwelt: Anfang Dezember sprang hierzulande der DAX über die 20.000 Zähler. Wie viel Luft ist nach Ihrer Meinung noch drin?

Baitinger: Vorab sollte klargestellt werden, dass man den DAX nicht mit der stagnierenden deutschen Wirtschaft gleichsetzen darf. Denn im DAX sind große multinationale Konzerne vertreten, die große Teile ihrer Gewinne im Ausland erwirtschaften und nur bedingt von der deutschen Wirtschaft abhängen. Da die globale Wirtschaft weiterhin positive Wachstumsraten aufweist, bleiben die Gewinnaussichten für DAX-Unternehmen konstruktiv. Die deutschen Automobilwerte stehen zwar vor enormen Herausforderungen, das ist aber bereits in den (teils wirklich sehr) tiefen Bewertungen hinreichend eskomptiert. Auf Gesamtindexebene sind die Bewertungen des DAX trotz neuer Allzeithochs neutral. Verglichen mit den teuren US-Börsen sind deutsche Aktien allerdings attraktiv bewertet. Zusammenfassend sind die weiteren Perspektiven, trotz des Überschreitens der psychologisch wichtigen Rekordmarke, für den DAX moderat positiv.

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