„Es gibt nicht die eine Lösung“
17.06.2024
(v.l.n.r.) Dr. Eva-Maria Zindler, Andrea Machost, finanzwelt-Redakteurin Maria Leladze, Dr. Jutta Krienke und Dr. Sabine Hampel - Foto: © Sabrina Henkel / finanzwelt
finanzwelt: Die sogenannten „Baby-Boomer“ gehen nach und nach in den Ruhestand und es folgen die Millenials und Gen Z. Auf welche Entwicklungen muss sich die Branche künftig einstellen?
Zindler: Ist es fair und sinnvoll, immer in solchen Generationen und solchen Klischees zu denken? Studien zeigen, dass Arbeitsmotivation einfach von Lebensphasen geprägt ist. Und wenn wir die Gen Z jetzt befragen, sind die nun mal jünger und in einer anderen Lebensphase als die Babyboomer es heute sind. Da sind unterschiedliche Themen relevant. Das ist vielleicht der Bias. Gleichzeitig sehen wir eine grundsätzlich steigende Relevanz von Entwicklungsmöglichkeiten und der Diskussion um Purpose. Der Arbeitnehmermarkt bietet zudem viel mehr Möglichkeiten, die Loyalität gegenüber dem Arbeitnehmer nimmt ab. Das sehen wir an Studien, Zahlen, Fakten. Was heißt das für uns als Unternehmen und als Branche? Im Moment liegt ein starker Fokus auf Rekrutierung. Was mich sehr umtreibt, ist das Thema Mitarbeiterbindung. In meinen Augen ist nicht nur das Recruiting von Nachwuchskräften eine Diskussion wert, sondern auch die Frage, wie wir eigentlich mit den scheidenden Kolleginnen und Kollegen, unseren Wissensträgern, umgehen? Was machen wir mit denjenigen, die nicht in den Ruhestand gehen wollen? Die sagen „Ich mache noch weiter, das erfüllt mich! Die Kinder sind groß. Ich würde gerne drei Tage die Woche noch arbeiten. Es macht mir Freude!“ Wie können wir diese „Silverworker“ im Unternehmen halten?
Hampel: Ich finde es toll, wie enthusiastisch die Jungs und Mädels heutzutage sind. Sie fordern ein, was ihnen besonders wichtig ist, und das ist auch vollkommen in Ordnung. Sie legen Wert auf Klimaschutz und auf nachhaltige Produkte und sie denken dabei auch an den Beitrag, den sie selbst dazu leisten können. Das bedeutet nicht, dass sie schon für jedes Problem die Lösung parat haben, aber zumindest artikulieren sie ihre Anliegen deutlich. Und das ist ein ganz wichtiger erster Schritt: Sprich aus, was du möchtest – ob du es dann bekommst, ist eine andere Geschichte. Aber es ist ein Anfang und der erste Schritt muss gemacht werden – egal, ob es schwer ist oder leicht.
Wir als Unternehmen müssen uns auf eine neue Generation einstellen, die andere Ziele verfolgt als die vorherigen. Dazu gehört der Gedanke, Investments für eine bessere Welt zu tätigen, und das sollten wir unterstützen.
finanzwelt: In diesem Rahmen folgt die nächste Frage an alle: Wie nutzen Sie Ihre Position und Plattform, um Diversity und Inklusion in der Branche zu fördern und zu unterstützen?
Hampel: Ich würde mich sehr freuen, wenn wir mehr weibliche Bewerberinnen hätten. Wir haben einen Bereich bei der EB-SIM, der Investments in Erneuerbare Energien managt. Dort ist der Anteil weiblicher Führungskräfte schon sehr hoch. In meinem Bereich – dem liquiden Portfoliomanagement – besteht hingegen Aufholpotenzial – auch mit Blick auf Bewerberinnen.
Ich selbst nutze Netzwerke wie Fondsfrauen, 100 Women in Finance und FidAR – Frauen in die Aufsichtsräte, um aktiv zu netzwerken und junge Frauen zu motivieren, ihren Platz in der Branche zu finden. Viele Netzwerke haben Mentoring-Programme, in denen jungen Frauen von den Erfahrungen anderer Frauen profitieren. Sie können dort lernen, etwas Neues zu wagen, einen Weg abseits der üblichen weiblichen Karrierepfade zu suchen und sich auch mal in einer vermeintlichen Männer-Domäne durchzubeißen. Das geht. Und es lohnt sich und es macht Spaß!
Um auf die Gründe zu blicken: Es fehlt vielen Frauen an Selbstbewusstsein und Mut, einfach mal zu machen. Auch sollten wir Frauen mehr miteinander reden. Blockt euch den Mittag und geht zum Beispiel zum Blackrock Investorinnen Lunch. Veranstaltungen wie diese sind einmalige Gelegenheiten, um tolle Menschen aus der Branche zu treffen und zu netzwerken. Das ist auch eine Art von Arbeit, die wir lernen müssen. Ich rate Mädels und jungen Frauen, die Netzwerke zu nutzen und sich auszutauschen.
Machost: Fördern ist enorm wichtig. Ich habe Mitarbeitende immer sehr gerne in ihrer Entwicklung unterstützt und auch Talente motiviert. Dieses „anschubsen“ ist immer auf Gegenliebe gestoßen, sowohl bei Frauen als auch bei Männern. Frauen brauchen diese Motivation jedoch deutlich stärker, weil sie sich oft selbst nicht so viel zutrauen und deshalb bei Bewerbungen erst gar nicht antreten und somit auch nicht sichtbar werden. Aus der Sparkassenorganisation kenne ich für die berufliche Weiterentwicklung von Frauen ein etabliertes und sehr gutes Cross-Mentoring-Programm. Allerdings finde ich es irritierend, dass in diesem Programm die Mentoren fast ausschließlich Männer sind. Als ich das beim durchführenden Verband hinterfragte, lautete die Antwort: „Gerne würden wir stärker weiblich besetzen, aber es stehen nur wenige Frauen als Mentorinnen zur Verfügung“.
Zudem ist es enorm wichtig, Netzwerke zu nutzen. Wir Frauen kümmern uns um sehr Vieles – aber meist zu wenig um diesen wichtigen Austausch im weiteren beruflichen Umfang. Ich selbst gehöre z.B. nach wie vor einem deutschlandweiten Arbeitskreis von Private Banking-Leiterinnen an. Dieser Kreis ist u.a. deshalb sehr wertvoll, weil dort sowohl konkrete Themen oder Herausforderungen unserer Branche angesprochen werden, aber auch der persönliche bzw. kollegiale Austausch sehr offen und ebenso vertraulich stattfindet.
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