„Es gibt nicht die eine Lösung“

17.06.2024

(v.l.n.r.) Dr. Eva-Maria Zindler, Andrea Machost, finanzwelt-Redakteurin Maria Leladze, Dr. Jutta Krienke und Dr. Sabine Hampel - Foto: © Sabrina Henkel / finanzwelt

Das Thema „Frauen und Finanzen“ ist und bleibt nach wie vor aktuell. Umso wichtiger ist es, Frauen zu fragen, die wissen, was getan werden muss. Anlässlich des diesjährigen Frauen-Roundtables sprechen ÖKOWORLD-Vorständin Andrea Machost und R+V –Bereichsleiterin Vertriebs- und Personalorganisation Dr. Eva-Maria Zindler sowie teckpro-Geschäftsführerin Dr. Jutta Krienke und EB-SIM-Portfoliomanagerin und Head of Equities Dr. Sabine Hampel nicht nur über Zahlen, Fakten und Studien, die immer noch von Rollenbildern eingefärbt werden, sondern auch von Generationen, die voneinander profitieren können.

finanzwelt:  Meine Damen, glauben Sie, dass die Finanzbranche sich immer noch ein wenig schwer tut mit Frauen in Ihren Reihen?

Andrea Machost: Das ist durchaus der Fall und die Zahlen zeigen es leider deutlich: während es die Großbanken auf 16 % bringen, was zunächst nicht besonders viel anmutet, lag der Anteil an Frauen in Führung bei den Sparkassen und Volksbanken im Jahr 2022 mit 7,5 % bzw. 4,6 % sogar noch sehr deutlich darunter. Laut einem Artikel im „Spiegel“ hat man in der S-Organisation das Ziel formuliert, bis 2035 eine Quote von 30 % zu erreichen.

Um das zu schaffen, ist es wichtig, Frauen für ihre berufliche Weiterentwicklung und Fortbildung zu begeistern, denn hierbei zeigen die Zahlen leider auch einen deutlichen Unterschied im männlichen und weiblichen Verhalten: mit steigendem Fortbildungsgrad, insbesondere ab dem Abschluss zum Betriebswirt, nimmt der Frauenanteil deutlich ab. Frauen müssen also auch selbst mitmachen wollen. Ich sage das auch, weil der Grund für eine Teilzeitbeschäftigung bei jungen Frauen die Familie, bei jungen Männern die berufliche Fortbildung ist. Mit den richtigen Perspektiven und Optionen geht da aber noch ganz viel Positives, da bin ich sicher und erlebe das auch in unserem Unternehmen sehr stark. Das beweist auch unsere eigene Quote, die bei 50% Frauen in Führung liegt.

Dr. Eva-Maria Zindler: Sicher ist, dass auch die Bereitschaft da sein muss, den Weg zu gehen – und das sowohl unternehmensseitig als auch von Seiten der Kandidatinnen. Meiner Erfahrung nach muss man Frauen dazu motivieren, sie anschubsen und sagen „Du kannst das, du schaffst das!“ Dann gehören sie nachher echt zu den Besten.

Dr. Jutta Krienke: Ich möchte den Aufruf einer neuen Initiative namens 30 % Club Germany zitieren. Darin organisieren sich die größten Vermögensverwalterinnen und Fondsgesellschaften und fordern, dass 30 % der Vorstandsposten in den 90 wichtigsten börsennotierten Unternehmen bis 20230 mit Frauen besetzt sein sollen. Dieser Club weiß um die Wichtigkeit der Masse, denn eine hinreichend große Zahl – eine Quote - ist unentbehrlich. Nehmen wir nur eine Frau in ein ansonsten rein männlich geprägtes Gremium, ist nichts gewonnen. Um wirklich das Mindset zu drehen, müssen sich mindestens 30 % Frauen gemeinsam für neue Blickwinkel und Lösungen einsetzen. Jede geschäftspolitische Entscheidung braucht auch weibliche Stimmen. Die Anlegerinnen des 30 % Club Germany wollen Diversität in den Unternehmen sehen. Wir haben das vor 20 Jahren auch alles schon diskutiert. Schade, dass das heute noch immer so ins Bewusstsein gerufen werden muss. Offensichtlich kann der Anteil an Führungsfrauen nicht organisch wachsen.  Es muss aus meiner Sicht systematisch geregelt.

Dr. Sabine Hampel: Vor kurzem hat die Ratingagentur Morningstar eine Studie veröffentlicht, welcher zufolge der Anteil weiblicher Fondsmanager in der Fondsbranche in Deutschland nur 3 % beträgt. Das Netzwerk von Women in Finance kam in einer ähnlichen Untersuchung auf sieben Prozent.

Egal, ob sieben oder drei, vielleicht auch zehn Prozent – der Befund bleibt derselbe: Es gibt deutlich zu wenig Frauen in der angeblich „bösen und kapitalistischen“ Finanzindustrie. KPMG veröffentlichte zusammen mit dem Netzwerk Fondsfrauen zuletzt eine Studie, in der der Anteil von Frauen in den einzelnen Bereichen der Fondsbranche abgefragt wird. Einen Anstieg sehen sie nur in den sogenannten „Pink Ghettos“ – Personal und Marketing. Die Studie fragte auch nach den Gründen und dort finden sich die Klassiker: Ellenbogenmentalität und fehlende Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Unternehmen führen zudem oft fehlende Bewerberinnen als Grund an – leider ist dies bei der EB-SIM im liquiden Portfoliomanagement auch der Fall. Und das, obwohl die EB-SIM als nachhaltiges Unternehmen besonders großen Wert auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie legt.

Ich bin der Meinung, dass wir einen bunten Blumenstrauß zusammenstellen müssen – es gibt nicht „die eine Lösung“. Eine Frauenquote wäre sicherlich ein Instrument, aber sie allein reicht nicht aus. Wir benötigen eine gute und flächendeckende Kinderbetreuung. Ich habe es am eigenen Leib gespürt: Meine Tochter ist drei und neulich wurde uns kurzfristig die Kita-Zeit um 25 % gekürzt. In aller Regel gehen in solchen Fällen die Mütter wieder in die Teilzeittätigkeit. Und damit wird bereits zu Hause ein gewisses Rollenbild vermittelt – Papa arbeitet, Mama ist zu Hause. Das ist eine Konditionierung, die wir aufbrechen sollten.

Ich finde es außerdem wichtig, dass bereits am Küchentisch und in der Schule über Finanzbildung gesprochen wird mit dem Ziel, „sorge für Dich und Deine Zukunft“ – und das auch mit Blick auf das Alter und die Rente. Lasst uns unsere Kinder – Mädchen wie Jungs – stark machen.

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