Elementarschäden: Französisches CatNat-System keine Blaupause für Deutschland

10.06.2024

Anja Käfer-Rohrbach, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft. Foto: © GDV

Die „ins Schaufenster gestellte günstige Abgabe“ werde durch eine weitgehende Risikoübernahme durch den Staat und dessen CCR erkauft, so Käfer-Rohrbach. Der Staat sei zudem immer dann zum Eingreifen verpflichtet, wenn die Schadenbelastung für die CCR einen gewissen Betrag übersteigt, der als staatliche Interventionsschwelle bezeichnet wird.

Pflichtabgabe an den Staat, der über die Auszahlung politisch entscheidet

„Das französische Cat-Nat-System ist kein risikobasiertes privatwirtschaftliches Versicherungssystem im Sinne des Europäischen Aufsichtsregimes Solvency II“, sagt Käfer-Rohrbach. Vielmehr gelte:

  • Es gibt keinen vertraglichen Anspruch auf Entschädigung aus dem CatNat-System. Entschädigt wird nur, wenn das Ereignis durch eine interministerielle Kommission in Paris zur Naturkatastrophe erklärt wird (Artikel 1 Absatz 4 CatNat-Gesetz). Ein direkter gesetzlicher Anspruch gegen das CatNat-System im Sinne des Vertragsrechts existiert nicht.
  • Privatpersonen zahlen keine risikobasierte Prämie für Naturgefahren, sondern eine per Gesetz geregelte Abgabe in Höhe von derzeit noch zwölf Prozent der Sachversicherungsprämie. Die Abgaben werden im Jahr 2025 drastisch erhöht auf 20 Prozent, da das System durch den Klimawandel und Extremwetterereignisse seit Jahren defizitär ist. 
  • Die Höhe der gesetzlich festgelegten Selbstbeteiligung beträgt für Privatpersonen in diesem System 380 Euro je Schadenfall für Sachdeckungen (Gebäudeversicherung). Sie erhöht sich auf 1.520 Euro bei Schäden durch Erdsenkung infolge von Trockenheit beziehungsweise an Orten, die mehrfach von Naturkatastrophen betroffen waren.
  • Hinzu kommen auch in Frankreich die Kosten für die zugrundeliegende Gebäudeversicherung und deren Naturgefahren, wenn das CatNat-System nicht zahlt. Die Kosten für die Versicherten in Frankreich liegen also in der Praxis deutlich höher. Die Behauptung, dass es in Frankreich eine Elementarschadenversicherung von „durchschnittlich 26 Euro jährlich“ gebe, ist somit nicht zutreffend. Zudem wird ein unzutreffender Vergleich mit der gesamten risikobasierten Versicherungsprämie für ein Wohnhaus in Deutschland hergestellt.

„Zu guter Letzt verfügt das CatNat-System über eine dezidierte verfassungsrechtliche Grundlage“, so Käfer-Rohrbach. Artikel 12 der Präambel zur französischen Verfassung vom 27. Oktober 1946 führt demnach aus: „Die Nation erklärt die Solidarität und Gleichheit aller Franzosen bei der Tragung der Last, die sich aus nationalen Katastrophen ergibt.“ Eine vergleichbare grundgesetzliche Regelung existiere in Deutschland nicht, sodass jeder Schritt in Richtung CatNat mit verfassungsrechtlichen Risiken behaftet wäre.

Positive Aspekte

Positiv am französischen System ist, dass man am Ende das Naturgefahrenrisiko ganzheitlich betrachtet hat. Es behandelt Fragen der Versicherung ebenso wie die staatliche Beteiligung bei Größtschadenereignissen. Auch der sogenannte Barnier-Fonds (Fonds de Prévention des Risques Naturels Majeurs), der Anpassungs- und Schutzmaßnahmen fördern soll, gehört letztlich zum System. Die Einsicht, dass es mit „Versicherung“ alleine nicht getan ist, ist vor allem bei den Bundesländern leider immer noch nicht angekommen. (mho)