„Eine gute Idee, die aber Jahrzehnte zu spät kommt“
17.12.2024
Foto: © fw / Sabrina Henkel
Die Diskussion um die finanzielle Bildung ist nicht neu. Doch sie ist essenziell. Denn ohne Bildung und entsprechende Erfahrungswerte ist man sozusagen aufgeschmissen bzw. begibt sich auf dünnes Eis. Doch wer soll es hierzulande richten? Um wie sind in einem breiteren Kontext die Pläne für eine Reform der steuerlich geförderten privaten Altersvorsorge zu bewerten? Nachdem wir in der finanzwelt-Ausgabe 05 mit Dr. Helge Lach, Vorstand der DVAG, über das Marburger Zentrum für Vermögensberatung gesprochen haben, geht es nun um das komplexe Thema Finanzwissen.
finanzwelt: Herr Dr. Lach, die Stärkung der finanziellen Bildung wird allenthalben diskutiert. Wo könnte man ansetzen, um diesem Ziel näherzukommen? Wie sehr ist unser Staat in der Pflicht?
Dr. Helge Lach» Wir leben in einer komplexen Welt, in der eine solide Finanzbildung – gerade für junge Menschen – dringend notwendig wäre. Denn mit dem Einstieg ins Berufsleben und dem ersten eigenen Einkommen sollte der verantwortungsvolle Umgang mit Geld eigentlich funktionieren. Vorbereitet sind darauf aber die wenigsten. Und die Verfügbarkeit von Geld ist voller Versuchungen. Die Idee, deswegen den Schulen einen Bildungsauftrag zu geben, scheitert allein daran, dass die Schulen das gar nicht leisten können. Außerdem ist das in unserem föderalen Bildungssystem eher Wunschdenken. Hinzu kommt, dass Kinder im Elternhaus oftmals kaum Aufklärung erhalten, da es den Eltern ebenfalls am nötigen Finanzwissen fehlt.
finanzwelt: Wenn es „der Staat“ und die Eltern nicht richten können – wer dann?
Dr. Lach» Leider ‚lernen‘ viele mit schmerzlichen, also teuren Erfahrungen, die man so nicht mehr erleben will. Beispiele dafür gibt es viele: Hohe Dispozinsen für ein Konto, das ständig im Minus ist, Überschuldung schon in jungen Jahren, hohe Ausgaben, weil keine Versicherung existiert hat oder, eher langfristig, Einschränkungen im Alter, weil nicht privat vorgesorgt wurde. Diese gegebenenfalls teure Erfahrung des ‚Trial-and-Error‘ muss nicht sein. Es gibt im Grunde zwei Möglichkeiten, das zu vermeiden: Man eignet sich das Wissen selbst an oder sucht Hilfe und Rat. Diejenigen, die sich unwohl oder unsicher beim Umgang mit dem Thema finanzielle Vorsorge fühlen, sollten sich Rat – beispielsweise bei Vermögensberatern – suchen.
finanzwelt: Macht eine Recherche im Internet Sinn?
Dr. Lach» Das bietet sich in unserer zunehmend digitalen Welt an und viele versuchen sich daran. Aber wer sich beispielsweise nur die Wikipedia-Erläuterungen zur Berufsunfähigkeitsversicherung anschaut, gibt vermutlich gleich auf. Zuvor muss man sich durch eine Vielzahl bezahlter Werbelinks scrollen. Und vermehrt treiben inzwischen viele von Sponsoren bezahlte Finfluencer im Internet ihr Unwesen. Eigenrecherche ist also nicht nur mühsam und sehr zeitaufwändig, sondern auch nicht immer zielführend.
finanzwelt: Was macht ein persönlicher Berater vor Ort besser?
Dr. Lach» Sehr viel. Ein Berater macht keine Produktwerbung und macht kein ‚Influencing‘. Er oder sie muss, gesetzlich verpflichtend, eine hohe Qualifikation nachweisen. Und im Regelfall wohnt der Berater vor Ort im Umfeld seiner Kunden. Man sieht ihn oder sie nicht nur im Büro, sondern auf der Straße, im Sportverein oder im Kino. Wer in einem solchen Umfeld gerade beim sensiblen Thema Finanzen nicht ordentlich arbeitet, riskiert nicht nur seinen Job, sondern auch sein privates Umfeld. Ein Berater kümmert sich verantwortungsvoll um die Belange seiner Kunden. Anders als das Internet ist er nicht anonym, sondern greifbar.
finanzwelt: Aber die finanzielle Bildung verbessert sich doch damit auch nicht, wenn man alles seinem Berater überlässt?
Dr. Lach» Das sehe ich anders. Wenn ich als Kunde im Beratungsgespräch zuhöre, nachfrage und mir die Zusammenhänge und Produkte erklären lasse, ist das der beste Finanzunterricht, den ich bekommen kann. Die Themen, die besprochen werden, sind meine Themen. So wächst Verständnis für die eigene wirtschaftliche Situation. Berater sind die besten Finanzlehrer, die man sich wünschen kann. Man muss sie nur fordern.