Eine bessere Führungskraft dank Burnout

04.05.2021

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Erkenntnisse

Nach fünf Monaten Therapie, Medikamenten und viel Ruhe bin ich wieder in den Job zurückgekehrt. Im übertragenen Sinne standen die Kollegen Schlange vor meiner Tür, um zu erfahren, wie es mir ging. Aber genauso interessierte sie, wie weit sie selbst von einem Burnout entfernt waren. Denn es ging vielen von ihnen auch nicht gut. Auch erfuhr ich, dass der eine oder andere auch schon eine Auszeit hinter sich hatte, von der ich nichts wusste. Ich war zwar kein neuer Mensch, aber es hatte sich doch so einiges verändert. In gewisser Weise war mir ein großer Druck von der Schulter genommen worden. Denn nun war es ja offiziell, dass ich nicht so perfekt funktionierte. Perfekt sein wollen und keine Fehler machen. Das Tragen einer solchen Maske kostete unheimlich viel Energie und war jetzt nicht mehr nötig. Jetzt konnte ich Fehler und Schwächen eher zugeben.

Ich war fünf Monate ausgefallen. Meine Mitarbeiter hatten in der Zeit den Laden ziemlich gut am Laufen gehalten. Ich war also doch nicht so wichtig wie ich dachte und ich musste offensichtlich auch nicht bei jedem Thema mitreden und mitentscheiden. Zudem konnte ich mich den Menschen in meinem Umfeld öffnen. Wenn du etwas von dir preisgibst, dann machst du dich verwundbar – und das schafft Vertrauen. Ich wurde deutlich entspannter, konnte anderen besser vertrauen und wurde empathischer. Alles in allem wurde ich eine bessere Führungskraft dank Burnout. Wenn man so will, war der Burnout die beste Führungskräfteentwicklungs-Maßnahme, die ich in meiner Laufbahn mitgemacht habe. Der Burnout war ohnehin ein ganz wichtiger Schritt zu einem besseren Leben. Was habe ich diese Sätze in den Büchern gehasst – wenn du in der Krise sitzt, ist nichts daran positiv.

Zurück im Job

Zwei Jahre nach meiner Rückkehr wurde ich von unserem CEO gefragt, ob ich als Teil des Vorstandes eine neu zu gründende Division übernehmen wollte. Ich überlegte mir das schon genau, denn es war ja klar, dass die Belastungen dadurch nicht abnehmen würden. Als ich meine Therapeutin um ihre Meinung dazu fragte, sagte sie schlicht: „Was soll passieren? Du weißt ja jetzt wie aufhören geht…“ So richtig hatte ich es damals gar nicht verstanden. Erst fünf Jahre später, als ich wieder vor einem Entscheidungspunkt stand, wurde es mir klar. Ich hatte durch den Burnout gelernt, dass das Leben weiterging – auch wenn ich etwas aufgeben musste.

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