Ein janusköpfiger Aktienmarkt
02.10.2019
Markus Steinbeis, geschäftsführender Gesellschafter der Steinbeis & Häcker Vermögensverwaltung / Foto: © Steinbeis & Häcker Vermögensverwaltung
In der römischen Mythologie symbolisiert der Gott Janus mit seinem Doppelgesicht, das zugleich nach vorne und hinten blickt, die Dualität in einer Vielzahl von Dingen wie etwa Schöpfung/Zerstörung, Leben/Tod, Licht/Dunkelheit, Anfang/Ende, Zukunft/Vergangenheit. In diesen Herbsttagen zeigt sich auch am Aktienmarkt eine solche kolossale Divergenz. In der nachstehenden Kolumne versuchen wir eine Handlungsempfehlung für die mittelfristige Positionierung zu geben.
Der Blick in den Rückspiegel: Nicht-zyklische Sektoren als Treiber des Aufschwungs
Die Aktiendepots, die sich in den letzten beiden Jahren gut entwickelt haben, sind sehr stark getrieben von Momentum-Strategien nicht-zyklischer Sektoren wie Titeln des täglichen Bedarfs und Nahrungsmittel-Konzernen, aber auch ausgewählten Technologie-Aktien. Ursächlich für den Siegeszug dieser „Steady-Growth“ – Werte war ein deutlicher Rückenwind von Seiten der Geldpolitik. Sowohl die Fiskal- als auch die Zinspolitik befeuerten eine positive Entwicklung des quantitativen Momentum-Faktors. Freilich zeigten beispielhaft auch Unternehmen wie Procter & Gamble, Microsoft oder Nestle in diesem Umfeld ansprechende Unternehmensergebnisse. Nun naht der Zeitpunkt mit offenen Augen zu hinterfragen, ob das auch für die nahe Zukunft unverändert fortgeschrieben werden kann. Immense institutionelle Gelder, die in normalen Zinszeiten in Unternehmensanleihen geflossen wären, fanden zudem ihren Weg in Aktien, die jeden Tag ein wenig mehr wert waren und zudem noch auskömmliche Dividenden verhießen.
Stimuli der Notenbank verpuffen zunehmend
Die Halbwertszeit geldpolitischer Impulse wurde zuletzt immer kürzer. Es mehren sich Stimmen, dass die wieder und wieder gleichen Maßnahmen der EZB wie Ausweitung von Negativzinsen oder die Wiederaufnahme von Anleihe-Ankaufprogrammen keinerlei Wirkung mehr auf die Realwirtschaft erzeugen. Die Inflation verharrt auf ungewünscht niedrigem Niveau fernab der anvisierten 2%-Marke. Mehr noch: Die deutsche Bankenlandschaft ächzt unter dem Wegfall ihres Brot-und-Butter-Geschäfts und kann die Kosten gar nicht so schnell senken wie die Erträge wegbrechen. Die Zinsstrukturkurve zwischen zweijährigen und zehnjährigen Anleihe wurde invers, was vielfach in vergleichbaren Situationen der Vorbote einer mittelfristig heraufziehenden Rezession war.
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