Dringender Notfall

26.04.2019

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Dabei handele es sich um das Phänomen, dass die Kosten schneller stiegen als die Löhne, aus denen diese per Umlageverfahren finanziert würden. Die Beiträge in der PPV seien nach dem Anwartschaftsverfahren kalkuliert und deshalb nicht von den drei beschriebenen Gründen für die Kostenexplosion betroffen. Aber hat er denn auch eine Lösung für das Problem der Sozialen Pflegeversicherung? Schmeing sagt: „Wichtig ist, den Menschen zu vermitteln, dass sie mit der gesetzlichen Pflegeversicherung, auch wenn diese teurer wird, nicht ausreichend für den Pflegefall abgesichert sind. Die Pflegeabsicherung ist ein wachsendes gesellschaftliches Problem. Trotz der oben beschriebenen Kostenentwicklung sollten die Menschen dringend mehr in die Pflegezusatzversicherung investieren. Egal ob staatlich gefördert oder privat. Und das am besten schon in jungen Jahren.“ Leicht gesagt, schwer getan, folgt man einer Studie der Postbank, der zufolge die Deutschen zu wenig über die tatsächlichen Pflegekosten wissen. Kollektives Versagen von Politik, Versicherern und Vertrieb? Robert Raeder, Aktuar, Prokurist und Abteilungsleiter Mathematik, der HanseMerkur, will das so nicht stehen lassen: „Zum einen hat sicher die Politik versagt, weil sie die gravierenden Versorgungslücken, die trotz Pflegestärkungsgesetz weiter bestehen, nicht ausreichend kommuniziert hat. So ist die Rentenlücke ist der Bevölkerung weitaus präsenter. Aber natürlich gibt es auch immer eine Holschuld der Bürger, die sich darüber klar sein müssten, dass eine gesetzliche Pflegepflichtversicherung kein Vollkaskoschutz ist.“ Sie würden dann feststellen, dass trotz der seit 2017 geltenden Leistungen in fünf Pflegegraden erhebliche Anteile der Pflegekosten sowohl im stationären Bereich als auch bei häuslicher Versorgung selbst zu tragen seien.

Oliver Pradetto, Geschäftsführer beim Maklerpool blau direkt, sieht hier ebenfalls in erster Linie eine Verantwortung aller Beteiligten: „Bevor wir nicht in unserem engsten Kreis erlebt haben, wieviel Aufwand die Pflege eines erwachsenen Menschen verursacht, wird die Thematik nicht erfahrbar. Das Problem betrifft leider auch die Berater selbst, weswegen sie das Thema nur selten als einen Schwerpunkt ihrer Beratung etablieren." Dazu beigetragen habe auch die Politik, die die Akzeptanz der staatlichen Zwangsversicherung dadurch zu erreichen suche, dass sie den Menschen suggeriere, dadurch wäre das Problem gelöst. „Ich glaube, lösen kann das Problem nur der Makler, wenn es Pools und Versicherern gemeinsam gelingt, ihnen klar zu machen, dass ein Pflegefall in der Familie auch heute noch die totale wirtschaftliche Vernichtung sämtlicher Angehörigen bedeutet.“ Und auch Jürgen Rurak, Geschäftsführer der Düsseldorfer Agentur und Vertriebsgesellschaft (DAVG), einer Tochter der vigo Krankenversicherung, appelliert an den Gesundheitsminister: „Die Politik stellt die letzte Pflegereform in der Öffentlichkeit als Heilsbringer in der Pflege dar. Sie weist nicht darauf hin, dass die Pflegepflichtversicherung nach wie vor nur einen Teilkasko-Charakter hat und zum Teil erhebliche Eigenmittel zur Deckung der Pflegekosten herangezogen werden müssen.“ Durch die Verbreitung dieser trügerischen Sicherheit sehe er die Hauptverantwortung in der Politik. Rurak: „Zudem muss der Versicherungsvertrieb das Thema Pflege noch weiter in den Beratungsfokus stellen.“ (hdm)