Die Merz-Rente – ein Faktencheck
05.12.2018
Reinhard Panse, CIO von HQ Trust / Foto: © HQ Trust
Es gibt eine einfache Faustformel zur Beurteilung eines wirtschaftspolitischen Vorschlages in Deutschland: Alles, was auf breiter Front abgelehnt wird, muss gut sein – und umgekehrt. Demnach ist der Vorschlag von Friedrich Merz, eine aktienbasierte Altersvorsorge mit Steuervorteilen aufzubauen, erstklassig. Denn ablehnende Stimmen kommen nicht nur von politischen Gegnern, sondern auch von Wissenschaftlern und sogar von Parteifreunden.
Also könnte es sich lohnen, etwas ganz Ungewöhnliches zu tun: Auf die Fakten zu schauen. Ein Durchschnittsverdiener mit € 35.000 Jahresgehalt hat einen Arbeitnehmer- und einen Arbeitgeberanteil von € 6.545 in die Rentenversicherung eingezahlt. Wenn er 45 Jahre lang diesen Betrag (unter der Annahme einer jährlichen Gehaltssteigerung von 2,4 %) in einem praktisch kostenfreien, vom Staat verwalteten weltweit anlegenden Aktienfonds – wie etwa in den schwedischen AP7-Fonds - hätte anlegen dürfen, würden daraus rund € 2.200.000, wenn man konservative 6 % Gesamtertrag (Dividenden + Kursgewinne) pro Jahr unterstellt. Diese Zahl liegt deutlich unter den Werten, die die Aktienmärkte in den letzten 120 Jahren inklusive zweier Weltkriege und diverser Deflationen, Depressionen und Inflationen erwirtschaftet haben.
Selbst wenn nur € 50,- monatlich zur Verfügung stehen, könnte die vermutlich ab dem Jahr 2060 ziemlich magere staatliche Rente mit immerhin mehr als € 200.000 aufgebessert werden, sodass ein Widerspruch abgebügelt werden kann, der da lautet: „Statt Steuersubventionen für Aktiendeals von wenigen müssen wir die gesetzliche Rente stärken,“ wie es der SPD-Fraktionsgeschäftsführer Carsten Schneider sagte. Aktiendeals für wenige?
Es drängt sich die Vermutung auf, dass Friedrich Merz nicht der einzige Bundesbürger ist, der unter erträglichen Entbehrungen € 50 monatlich sparen könnte. Auch die gelegentlich in Berechnungen genannten € 150 dürften für einen erheblichen Anteil der Bevölkerung erreichbar sein. Zudem geht es hier nicht um Aktiendeals, sondern um die Geldanlage in einem Fonds, der weltweit in Aktien investiert und die Einzelposten oft jahrzehntelang hält, wie es auch der keineswegs spekulative norwegische Staatsfonds macht. In die gleiche Kerbe haut der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner („Steuerpolitik für Alterssicherung de luxe“). Dabei beeindruckt, mit welch absurden Argumenten manche Politiker verhindern wollen, dass ihre Kernklientel wenigstens die Chance auf einen bescheidenen Wohlstand erhält.
Weiter auf Seite 2