Die konkrete Verweisung in der BU-Versicherung

25.05.2023

Björn Thorben M. Jöhnke, Fachanwalt für Versicherungsrecht und Gewerblichen Rechtsschutz, Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte in Parnterschaft mbB / Foto: © Jöhnke und Reichow Rechtsanwälte

Die Bedingungen einer Berufsunfähigkeitsversicherung enthalten grundsätzlich Klauseln mit einer konkreten Verweisung. Eine solche konkrete Verweisung kann erhebliche Auswirkungen auf die Ansprüche des Versicherungsnehmers im Falle einer Berufsunfähigkeit haben. Denn auch wenn der Versicherungsnehmer seinen alten Beruf nicht mehr ausüben kann, kann eventuell eine Leistung verweigert werden, wenn er tatsächlich bereits einer anderen Tätigkeit nachgeht. Woran man eine konkrete Verweisungsklausel in den Versicherungsbedingungen erkennt, wann sie greift und was der Versicherungsnehmer im Fall der Fälle beweisen muss, wird im folgenden Beitrag thematisiert.

Die typische konkrete Verweisungsklausel

Im Gegensatz zur abstrakten Verweisung sind konkrete Verweisungsklauseln in fast allen Versicherungsverträgen zu finden. Die Formulierungen unterscheiden sich oftmals in ihren Details voneinander, im Kern findet sich jedoch folgende Formulierung:

„Vollständige Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn die versicherte Person […] keiner anderen, ihrer Ausbildung, ihren Fähigkeiten und ihrer bisherigen Lebensstellung entsprechenden beruflichen Tätigkeit nachgeht.“

Durch die konkrete Verweisung erfolgt also die Definition der bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit und somit die wesentliche Voraussetzung, um Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung beanspruchen zu können. Im Mittelpunkt der Klausel steht, dass der Versicherungsnehmer nicht bedingungsgemäß berufsunfähig ist, wenn er tatsächlich einer neuen Tätigkeit nachgeht, die mit seiner bisherigen Lebensstellung vergleichbar ist. Ob eine vergleichbare Tätigkeit hingegen hypothetisch ausgeübt werden könnte, ist nicht Gegenstand der konkreten Verweisung, sondern der abstrakten Verweisung.

Anforderungen und Probleme der konkreten Verweisung

Voraussetzung dafür, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer auf eine andere Tätigkeit verweisen darf, ist, dass der Versicherungsnehmer diese Tätigkeit tatsächlich bereits aufgenommen hat bzw. diese ausübt. Ob er dafür eine Umschulung machen musste oder nicht, ist hingegen unerheblich (Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung, 8. Kapitel Rn. 152, 2020).

Die Tätigkeit muss dafür inhaltlich „anders“ sein als der bisherige ausgeübte Beruf, darf also nicht komplett deckungsgleich sein. Wird zwar nach Außen betrachtet ein anderer Beruf ausgeübt, der inhaltlich jedoch mit dem bisherigen Beruf übereinstimmt, stellt sich schon die Frage, ob überhaupt eine Berufsunfähigkeit vorliegt (Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung, 8. Kapitel Rn. 158, 2020).

Entscheidend für die Zulässigkeit der Verweisung bei einer neu ausgeübten Tätigkeit ist jedoch die Frage, ob diese mit der bisherigen Lebensstellung vergleichbar ist (Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung, 8. Kapitel Rn. 160, 2020). Dafür kommt es darauf an, ob die notwendige Qualifikation für den neu ausgeübten Beruf mit derjenigen des alten Berufes vergleichbar ist und ob wesentliche Merkmale des alten Berufes auch in dem neuen Beruf vorausgesetzt werden (OLG Bremen, Urteil v. 18.05.2009 – 3 U 46/08). Die bloße Ausübung dieser neuen Tätigkeit lässt noch nicht darauf schließen, dass diese Anforderungen gewahrt sind. Sie können jedoch ein Indiz für die Wahrung der bisherigen Lebensstellung darstellen (Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung, 8. Kapitel Rn. 160, 2020).

Auf eine etwaige Differenz des Einkommens zwischen altem und neuem Beruf kommt es bei der konkreten Verweisung nur an, wenn die Versicherungsbedingungen dazu eine Bestimmung enthalten (Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung, 8. Kapitel Rn. 163, 2020).

Dabei kommt es jedoch nur auf das tatsächlich erzielte, und nicht das potenziell erzielbare Einkommen an, wenn die Versicherungsbedingungen keine abweichenden Regelungen diesbezüglich treffen (Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung, 8. Kapitel Rn. 162, 2020).

Eine Prognoseentscheidung kann jedoch bei ungewissen Berufsentwicklungen geboten sein, wie beispielsweise bei einem Bundeswehroffizier, der nun als Prüfingenieur arbeitet (siehe auch Verweisung eines Bundeswehroffiziers in der Berufsunfähigkeitsversicherung auf Prüfingenieur (OLG Celle)). Generell kommt es bei der Vergleichbarkeit der Lebensstellung darauf an, ob das Einkommen im Vergleich mögliche andere abweichende Gesichtspunkte der Lebensstellung ausgleichen kann. So argumentierte auch das OLG Oldenburg in seiner Entscheidung (siehe hierzu auch Fortschreibung des erzielten Einkommens bei Verweisung in der Berufsunfähigkeitsversicherung? (OLG Oldenburg)).

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