Die „August-Krise“

11.10.2015

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Im August dieses Jahres ging von China die erste – wenn auch kleine – weltweite Finanzmarktkrise aus. Auch wenn ihre Effekte in den Industrieländern weitgehend beherrschbar bleiben, so sind die Folgen für die Emerging Markets und Rohstofflieferanten weiterhin problematisch.

Zum ersten Mal seit längerer Zeit wird vielen Anlegern bewusst, wie spröde die international verflochtenen Märkte tatsächlich sind. Wie haben sich in Folge der „August-Krise“ Edelmetalle und das als Krisensicherheit bekannte Gold geschlagen? Kann die „August-Krise“ einen Ausblick auf das Verhalten von Edelmetallen in einer möglichen größeren Finanzmarktkrise geben?

Der „August-Krise“ gingen einige Verwerfungen voraus, die Profis nicht verborgen blieben. So begannen bereits im Dezember 2014 mit dem Skandal von Quingdao eine Reihe der „Chinese Commodity Financing Deals“, strukturierte Liquiditätskonstrukte, physische Commodities, oftmals Gold aber auch Kupfer und andere Industriemetalle, die in Zollfreilagern als Sicherheiten deponiert werden, zu zerbrechen. Besitzzertifikate wurden schlich gefälscht und gelagerte Commodities dadurch auf dem Papier vervielfältigt. Goldman Sachs hatte laut Bloomberg bereits im März 2014 eine entsprechende Implosion innerhalb einesZeitraumes von 24 Monaten erwartet. Die zunehmend unglaubwürdigen Wirtschaftszahlen der chinesischen Behörden seit Mitte 2014 und die durch Margin-Kreditausweitung – vielfach für analphabetische Börsenneulinge – künstlich befeuerten chinesischen Börsen als Ersatz für die mancherorts implodierende Immobilienblase warfen ihre Schatten voraus.

Gold und Edelmetalle haben in der „August-Krise“ die

Wertaufbewahrungsfunktion bestätigt.

Für die Preisentwicklung von Gold ist die Betrachtung der jeweiligen Währung relevant. So hat sich im September der Goldpreis in Euro per Saldo kaum bewegt und in britischem Pfund und amerikanischen Dollar eine leichte Aufwärtsbewegung verspürt. Die von krisenhafter Entwicklung betroffenen Länder zeigen ein anderes Bild. Dort erreicht die Goldnotierung in Landeswährung Höchststände: Paradebeispiele sind Argentinien und Brasilen, letzteres Land von der sinkenden Rohstoffnachfrage aus China empfindlich betroffen.

Vielfach steigende Nachfrage nach Gold und Edelmetallen

als Folge der „August-Krise“.

Nicht nur Zentralbanken wie China und Russland, das nach Meldung von Goldcore allein im letzten zurückliegenden Berichtsmonat über 1 Mio. Unzen Gold erwarb, waren auf der Käuferseite und tauschten Dollar und Euro in Gold. Die Economic Times meldet, dass die indischen Goldimporte aktuell um 140 % im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gestiegen seien, hauptsächlich aus Privatnachfrage nach Anlage und Schmuckgold. Die deutschen Anleger erinnern sich aufgrund der Nachrichtenlage wieder an die wertaufbewahrende Funktion von Edelmetallen. Tino Leukhardt, Senior Sales der Ophirum Commodity GmbH: „Neben der in diesem Zeitraum deutlich gestiegenen medialen Präsenz des Themas Edelmetalle konnten wir gerade in unseren Filialen das Anleger- oder Käuferverhalten beobachten. Wir verzeichneten trotz oder gerade auch wegen des gleichzeitig gesunkenen Preises für physisches Gold und Silber einerseits deutlich höhere Besucher zahlen verbunden mit einem erhöhten Beratungsbedarf, der offensichtlich der gestiegenen Unsicherheit geschuldet ist. Viele Edelmetallkäufer nutzten die „August-Krise“ auch als Auslöser, um ihre ‚im Kopf‘ schon getätigte Investitionsentscheidung nun umzusetzen. In den Filialen nahmen zusätzlich die Käufe von ‚Krisen-Gattungen‘ wie Kombi- oder Tafelbarren und Silbermünzen deutlich zu, was zusätzlich auf eine allgemein gestiegene Verunsicherung in der Bevölkerung hindeutet.“ Dr. Horst Steppi, R&R Consulting, stuft die Krise als ein Ereignis ein, das vielen Anlegern die Augen für bestehende Risiken geöffnet hat: „Die im Kontext der Dinge eigentlich geringfügige aber dennoch von vielen Experten als äußert bedrohlich gesehene ‚August-Krise‘ hat der breiten Öffentlichkeit Zerbrechlichkeit der Finanzmärkte vor Augen geführt. Bildlich gesprochen ist der Kaiser noch nicht nackt, aber er steht schon ohne Hose da. Es ist nicht überraschend, dass in diesem Zusammenhang die vermögensbewahrende Eigenschaft von Edelmetallen, insbesondere Gold, wieder bewusst wird. Anders als das von den Zentralbanken nach Gusto geschaffene Geld ist Gold eine endliche Ressource.“

Wenn auch ein Ende der Bestände noch lange nicht

nahe ist, so ist international eine Verknappung merklich.

Vielerorts führt sie zu verlängerten Lieferzeiten: Mitte September verlautbarte Peter Hambro, Chairman von Petropawlowsk – nach eigenen Angaben eines der größten russischen Goldförderunternehmen – in einem Interview bei Bloomberg Television, China und Russland würden in derart enormen Mengen Gold kaufen, dass es daher kaum möglich sei, derzeit am Londoner Goldmarkt physisches Gold zur Belieferung der Nachfrage aus diesen Ländern erwerben zu können. Aus Sicht der deutschen Marktteilnehmer sind ebenfalls spürbare Nachfragebewegungen aufgekommen. Leukhardt erklärt: „Tatsächlich ist sowohl in den verschiedenen Bereichen unseres Unternehmens (angefangen von unseren ETPs, über die gesteigerte Nachfrage unserer Vertriebspartner im Finanzdienstleistungsbereich, bis hin zum Kundenaufkommen in unseren Filialen) als auch auf dem Markt ein deutliches Nachfrage-Plus zu verzeichnen. Sehr klar gespürt hat der Kunde das an dem bundesweiten Ausverkauf von Silbermünzen der Gattung Maple Leaf. Hier sind bis heute keine Münzen mehr zu bekommen.“

Fazit

Auch während der „August-Krise“ waren Gold und Edelmetalle nichts für spekulative Gemüter, Edelmetalle bewähren sich jedoch wieder einmal als Wertanker in einem instabilen Umfeld. Die Preisentwicklung ist vielen Faktoren geschuldet, wobei der Langfristtrend auch von abbaubaren Beständen beeinflusst wird. Dazu Dr. Steppi: „Man geht davon aus, dass bei heutiger Produktion die bekannten Lagerstätten innerhalb der nächsten 20 bis 40 Jahre erschöpft sind und bis dahin die Kosten der Förderung vielfach über den erzielbaren Marktpreisen sein werden. Gold wird demnach, anders als Zentralbankgeld, weniger – und nicht mehr.“ (cs)

Printausgabe 05/2015