Deshalb ist die Börse nicht immer effizient

04.09.2020

Leo Willert, Geschäftsführer ARTS Asset Management GmbH / Foto: © ARTS

Auch der Markt wird durch Emotionen beeinflusst

Zu den Marktanomalien, die im deutlichen Widerspruch zur angeblich vollständigen Markteffizienz stehen, gehört der Momentum-Effekt. Diese Theorie wurde von Narasimhan Jegadeesh und Sheridan Titman in ihrer Arbeit „Returns to Buying Winners and Selling Losers: Implications for Stock Market Efficiency“ von 1993 untersucht und belegt. Die Momentum-Theorie postuliert, dass jene Aktien, die in der Vergangenheit am stärksten gestiegen sind, mit einer statistisch höheren Wahrscheinlichkeit in einem Zeitfenster von drei bis zwölf Monaten weiterhin steigen. Genauso haben demzufolge jene Aktien, die stark an Wert verloren haben, die Tendenz, ihren Negativtrend kurz- bis mittelfristig fortzusetzen.

Die Behavioral Finance macht für den Momentum-Effekt psychologische Gründe aus. Bereits Jegadeesh und Titman erklärten ihn mit dem irrationalen Verhalten der Marktteilnehmer und der Informationsineffizienz, die zu verzögerten Preisanpassungen führten. Der Verhaltensökonom und Nobelpreisträger Richard Thaler hat mit seinen Arbeiten maßgeblich zu den psychologischen Erklärungsansätzen für die Marktanomalien beigetragen.

Unter- oder Überreaktionen der Marktteilnehmer führen zu Momentum

Wenn die Marktteilnehmer verzögert auf finanzmarktrelevante Nachrichten reagieren, also eine Unterreaktion stattfindet, pendelt sich die Anpassung des Marktpreises langsam ein, was im Falle guter Nachrichten zu einem Positiv- und im Falle schlechter Nachrichten zu einem Negativtrend führt. Die Behavioral Finance-Ökonomen schreiben diese Unterreaktion unter anderem einem konservativen Mindset zu, das gerne an der eigenen Meinung festhält. Ergänzend dazu wird die Unterreaktion damit erklärt, dass Anleger vor allem diejenigen Informationen berücksichtigen, die die eigene Meinung bestätigen. Als weiterer psychologischer Grund wird die Tendenz der Anleger angeführt, an Verlustpositionen zu lange und an Gewinneraktien zu kurz festzuhalten. Laut Theorie resultiert dies daraus, dass Verluste doppelt so stark empfunden werden wie Gewinne. Wenn eine Aktie im Wert steigt, wird der Gewinn vor allem am Anfang wahrgenommen. Da jedoch der Investor die Befürchtung hegt, dass die steigende Preisentwicklung ihren Höhepunkt bereits erreicht hat und der Verlust droht, wird die Gewinneraktie früher als nötig verkauft. An Verliereraktien wird hingegen zu lange festgehalten, da der Anleger mit zunehmender Zeit die Verluste als immer weniger gravierend einstuft und ein Verkauf mit einem persönlichen Scheitern gleichgesetzt wird.

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