Der positive Kreislauf des Geldes

05.07.2023

Edda Schröder, Gründerin und Geschäftsführerin der Invest in Visions GmbH

Der Bereich Mikrofinanz ist vergleichsweise jung, vor rund 17 Jahren hat er es ins Bewusstsein der Finanzbranche geschafft. Den ersten entsprechenden Mikrofinanzfonds für Privatanleger in Deutschland gibt es seit 2011. Im Interview erklärt Edda Schröder, Gründerin und Geschäftsführerin der Invest in Visions GmbH, welche Vorteile Investitionen in Mikrofinanz bringen, wie sie funktionieren und warum sie sowohl für Beratende als auch Kundinnen und Kunden mit Interesse an nachhaltigen Geldanlagen so attraktiv sind.

finanzwelt: Frau Schröder, stellen Sie sich und Invest in Visions (IIV) doch einmal vor?Edda Schröder» IIV ist ein Finanzportfolioverwalter mit mehreren Mikrofinanzfonds für Privatanleger und professionelle Investoren. Mikrofinanz vergibt unverbriefte Darlehensforderungen an Finanzinstitute in Entwicklungs- und Schwellenländern. Diese werden an Menschen vergeben, die sich selbstständig machen möchten oder einen Betriebsmittel bzw. Investitionskredit für ihr kleines Unternehmen benötigen und sonst keinen Zugang zu Finanzdienstleistungen haben. Im Fokus liegt der soziale Impact. Unsere zwei Ziele sind: finanzielle und soziale Rendite. Ich selbst komme aus dem Asset Management, war jahrelang bei Schroders in der Geschäftsführung. Durch die KfW bin ich damals auf Mikrofinanz gestoßen. So sah ich die Möglichkeit, Geld sinnvoll und wirkungsvoll zu investieren. Deshalb habe ich 2006 die Invest in Visions GmbH gegründet. 2011 hat sich die Gesetzeslage für Investmentfonds geändert, so dass wir den ersten Mikrofinanzfonds in Deutschland auflegen konnten, der zum öffentlichen Vertrieb zugelassen war. Seit Beginn meiner Selbstständigkeit vor über 16 Jahren überzeugt mich das Konzept immer noch.

finanzwelt: Wie funktioniert der IIV Mikrofinanzfonds und wie hat er sich seit Beginn entwickelt? Gab es 2011 einen Boom, nachdem Sie den Fonds aufgelegt haben? Schröder» Den ersten medialen Boom gab es bereits 2006, als Professor Yunus [Muhammad Yunus, Gründer der Grameen Bank und einer der Begründer des Mikrofinanz-Gedankens, Anm. d. R.] den Friedensnobelpreis für dieses Thema erhielt. Damals wurden Luxemburger Mikrofinanzfonds für das institutionelle Geschäft entwickelt. Als wir 2011 mit dem Fonds starteten, war es schwierig, Anleger zu gewinnen. Es war ein ganz neues Konzept am deutschen Markt. 2014, als die Niedrigzinsphase begann und das Thema Nachhaltigkeit immer präsenter wurde, wurde die Anlageklasse Mikrofinanz für Anleger interessanter und hatte sich bereits nach drei Jahren als Portfoliobaustein bewährt. Mittlerweile liegt das Fondsvolumen bei 850 Mio. Euro, insgesamt verwalten wir knapp 1 Mrd. Euro. Um Rendite für unsere Anleger zu generieren, vergeben wir Darlehen an Finanzinstitute in den  Emerging Markets, aktuell sind es ca. 92 Mikrofinanzinstitute. Die durchschnittliche Darlehenssumme liegt zwischen 5 und 6 Mio. US-Dollar. Die Darlehensgrößen an Endkreditnehmer variieren zwischen 50 und 25.000 oder 30.000 US-Dollar. Es können auch Gruppenkredite, z. B. an Frauen, oder kleine Darlehen ohne Sicherheiten vergeben werden. Die durchschnittliche Darlehensgröße an die Endkreditnehmer liegt bei ca. 1.400 US-Dollar. Unsere Laufzeiten für die Darlehen mit den Instituten liegen bei etwa 20 Monaten, für die Endkreditnehmer sind diese kürzer, ca. drei bis neun Monate für z. B. Betriebsmittelkredite. Zur Veranschaulichung: Eine Schneiderin muss Stoff kaufen und nimmt dafür ein Darlehen auf. Aus der Gewinnspanne der damit hergestellten Waren kann sie das Darlehen zeitnah zurückzahlen und auch davon leben. Die teilweise sehr hohen Gewinnspannen machen das möglich. Auf diese Weise finanzieren wir u. a. auch den Agrarsektor, den Handel, aber auch z. B. Sanitärgeschäfte etc. Alles, was im regionalen, normalen täglichen Gebrauch benötigt wird. Zahlt uns das Mikrofinanzinstitut die Zinsen und später das Darlehen zurück, erhält der Investor daraus seine Rendite. Das nennen wir den ‚positiven Kreislauf des Geldes‘.

finanzwelt: Sind Sie bei der Auswahl der Endkreditnehmer beteiligt oder entscheiden das die Mikrofinanzinstitute vor Ort allein? Welche Kriterien gelten dabei?
Schröder» Generell entscheiden das die Institute selbst. Wir geben jedoch vor, was nicht finanziert werden darf. In den Darlehensverträgen haben wir z. B. ESG-Ausschlusskriterien. Alkohol, Pornografie und Waffen dürfen gar nicht, fossile Brennstoffe nur bis zu einem gewissen Grad gefördert werden. Zudem überprüfen wir die Geschäftsmodelle stichprobenartig vor Ort.

finanzwelt: Und viele Ihrer Endkreditnehmer sind Frauen?
Schröder» Richtig, das ist so gewollt. Frauen werden gezielt ausgesucht, weil Mikrofinanz als eines der sozialen Ziele gerade Frauen in ihrer finanziellen Unabhängigkeit fördern möchte. Zudem habe ich selbst schon beobachtet, dass Frauen in vielen Ländern eine andere gesellschaftliche Wertstellung erhalten, wenn sie zum Haushaltseinkommen beitragen. Und: Wächst das Einkommen, können die Kinder zur Schule gehen, eine Ausbildung kann finanziert werden. Genau das ist das Ziel, das wir erreichen möchten. Manche sagen aber auch, die Scheidungsraten hätten seitdem zugenommen (lacht).

finanzwelt: Für welche Investoren eignet sich Ihr Publikumsfonds?
Schröder» Es gibt viele Privatanleger, die eine Investitionsmöglichkeit suchen, um etwas Gutes zu tun, ihr Geld vor Wertverlust zu schützen und sogar noch eine Rendite zu erzielen. Seit Gründung des Fonds hatten wir nie ein negatives Jahr. Auch 2022 nicht. Für Mikrofinanz gilt: Es gibt nur sehr geringe Korrelationen zu anderen Anlageklassen, eine stetige Rendite, eine geringe Volatilität und man tut noch etwas Gutes. Die Reihenfolge dieser Argumente variiert, aber wir sind sowohl für Privatpersonen, Family Offices, Stiftungen als auch als Portfoliobeimischung für Vermögensverwalter interessant. Mikrofinanz ist ein Portfoliostabilisator und eignet sich damit für verschiedene Zielgruppen.

finanzwelt: Wie sehen Ihre Pläne für 2023 aus?
Schröder» Wir arbeiten gerade an einem neuen Projekt, regulatorisch bedingt nur für professionelle Anleger. Dabei geht es um das aktuelle und sehr wichtige Thema erneuerbare Energien in Entwicklungsländern, hauptsächlich in Sub-Sahara Afrika. In den 55 Ländern, die zu dieser Region gehören, gibt es ca. 550 Millionen Menschen, die keinerlei Zugang zu Energie haben. Dort wollen wir ansetzen und den Menschen von vornherein erneuerbare Energien näherbringen. Dafür ist der Start eines Fonds geplant, der in Unternehmen investiert, die die Energieversorgung mit Solarenergie vorantreiben und eine entsprechende Infrastruktur errichten und sicherstellen. Aktuell befinden wir uns noch in der Vorbereitung. (lb)