Der Kater nach der Party dauert meist länger als man glaubt
29.03.2018
Daniel Zindstein / Foto: © Zindstein Vermögensverwaltung GmbH
Zinsängste übertrieben
So lautete die Überschrift in unserem letzten Kommentar Anfang März. Erstens sind Inflationsraten zyklisch und hängen an 12-Monats-Veränderungen der Rohstoffpreise (vereinfacht dem Ölpreis). Zweitens werden Rohstoffpreise in Europa fast immer vom Euro gedämpft. D.h. Inflation ist hierzulande meist eh nur ein viel geringeres Thema als z.B. in den USA. Aber auch dort ist nicht alles Gold was glänzt in der Wirtschaft. Viel Wachstum, aber oft qualitativ schlechtes bzw. nicht nachhaltiges Wachstum wird generiert. So sind die vielen Jobs, die die letzten Jahre geschaffen wurden, oft Stellen im Dienstleistungs-Sektor – eher schlecht bezahlt, ohne Sozialversicherung und nicht langfristig.
Trump trumpft als fairer Freihändler auf
Just als das Inflations- und Zinsanstiegsgespenst die Party-Stimmung kurz zur Abkühlung brachte, aber gottseidank wieder verschwand, betrat ein anderer Störenfried den Partyraum. Donald Trump, bis dahin der gefeierte Partystar, der erst spät (sagen wir gegen Mitternacht) die Party betrat (Herbst 2017) und nochmals mit seiner Steuerreform für kräftig Stimmung sorgte, gab nun den Partykiller, indem er andere Gäste (Europa, China…) mit Handelszollplänen anpöbelte und somit die Stimmung richtig versaute, so dass nahezu alle Gäste (die gesamte Weltwirtschaft) in Sorge geriet die Party könnte komplett vorbei sein (Weltwirtschaft wächst nicht mehr).
Vordergründig nur als Störenfried der ach so tollen Rahmenbedingungen für die Aktienmärkte gebrandmarkt, sollte jedoch der grundsätzliche Sinn für Trumps Auftreten hinterfragt werden. Natürlich sind die EU und China ganz vorne dabei, ihre Märkte mit Zöllen und anderen diversen Handelsbeschränkungen abzuschotten. Beispielsweise sind 80% des europäischen Agrarmarktes abgeschottet. China verlangt hohe Zölle auf Einfuhren und erlaubt kaum Unternehmenskäufe im eigenen Land, tritt jedoch sehr forsch auf, wenn es darum geht, sich europäisches und amerikanisches Industrie- und Technologie-Know How im Rahmen von Übernahmen anzueignen. Man könnte also sagen, Trump will nur einen faireren Welthandel, als das bisher der Fall ist. Oder was würden Sie verehrter Leser als US-Präsident tun, wenn Sie Ihr Autobauer fragt, warum europäische Autohersteller nur 2,5% Zoll für Exporte in die USA zahlen müssen, er aber 10% für seine Exporte nach Europa? Warum man für Exporte nach China 25% Zoll zahlen muss (inklusive Patentklau und Plagiate), Chinesen aber in die USA 10% oder gar nichts (je nach Produktgattung) bezahlen? Berechtigte Fragen, oder? Die Art und Weise wie Donald Trump auftritt, ist natürlich gewöhnungsbedürftig, aber evtl. auch Absicht. Denn ohne Angst zu schüren, dass er es wirklich ernst meint, würde er wahrscheinlich bei der EU und den Chinesen keine Veränderungsbereitschaft erreichen. Denn ohne Zweifel würden bei einem echten Handelskrieg alle verlieren, in erster Linie jedoch die exportstarken Nationen wie China und Deutschland.
Unsere Sicht ist also, dass Herr Trump lediglich fairere Handelsbedingungen und unter dem Strich eine weitere Öffnung der Märkte erreichen (erzwingen) will. Das wäre am Ende sogar gut für die langfristigen Wachstumsaussichten. Bis dahin bleibt aber ein gehöriges Maß an Unsicherheit.
weiter auf Seite 4