Der große Crash und die Reaktionen

06.08.2024

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Chaos an den Börsen weltweit. Aus vielfältigen Gründen rauschten die Aktienkurse am Montag, dem 6. August, dramatisch ab. US-Wirtschaft und -Arbeitsmarkt schwächeln, die Notenbank FED übt sich in Zurückhaltung, amerikanische Investmentbanken schlagen Alarm, die Gefahr einer Rezession wächst, der Boom um Künstliche Intelligenz ebbt ab, die Tech-Werte begeben sich auf Talfahrt. Globale Reaktion: Ein Schwarzer Montag in Tokio mit einem Nikkei von minus 12 Prozent, Abwärtstrend beim Dow Jones und den Technologieaktien, in Deutschland der dritte Tag in Folge mit einem dicken DAX-Minus. Zwar gab es bereits am nächsten Tag leichte Entwarnung, doch die Verunsicherung der Anleger bleibt. finanzwelt veröffentlicht Reaktionen aus der Branche.

Stephen Dover, Head of Franklin Templeton Institute:

Das ganze Jahr über haben wir davor gewarnt, dass die Bewertungen am US-Aktienmarkt überzogen sind und wenig Spielraum für Enttäuschungen lassen. Unser ständiges Jahresendziel für den S&P 500 Index lag bei 5250, also nur geringfügig über dem Wert, mit dem der Index gestern eröffnete. Wir bleiben vorsichtig. Auf der Grundlage historischer Analysen von Phasen wirtschaftlicher Verlangsamung sind wir der Ansicht, dass sich Wachstumswerte besser entwickeln werden als Substanzwerte und dass Qualität ebenfalls gerechtfertigt ist. Wir sind besorgt über Gewinnenttäuschungen - vor allem bei Aktien mit geringerer Kapitalisierung.

Allerdings berücksichtigen wir auch, dass Positionierung, Momentum und quantitativer Handel entscheidend sein können, wenn es zu Marktverwerfungen kommt. Obwohl die implizite Aktienvolatilität in die Höhe geschossen ist (der VIX stieg am 5. August auf 65 - den höchsten Stand seit vier Jahren), sind die Marktbewegungen möglicherweise noch nicht abgeschlossen. Es werden sich letztendlich Gelegenheit bieten, aber wir glauben, dass es für alle außer den langfristigsten Anlegern zu früh ist, um nach Werten zu suchen.

Die Märkte außerhalb der USA wurden besonders hart getroffen, und der japanische Nikkei verlor an seinem zweitschlechtesten Handelstag in der Geschichte über 12 %. Dies erinnert uns daran, dass es nahezu unmöglich ist, das Aktienrisiko während größerer Korrekturen oder Bärenmärkte nach Regionen (oder nach Sektoren oder Stilrichtungen) zu diversifizieren. Unserer Meinung nach ist es zu diesem Zeitpunkt noch zu früh, um einzugreifen.

Das Risiko einer Rezession in den USA nimmt eindeutig zu, was sich in den starken Schwankungen der Marktpreise widerspiegelt. Steigende Erstanträge auf Arbeitslosenunterstützung, ein schwacher Beschäftigungsbericht für Juli und Anzeichen für einen möglichen Rückgang des verarbeitenden Gewerbes haben das Bild verändert.

Andere Indikatoren sind jedoch weniger besorgniserregend, darunter die jüngste Umfrage des Institute for Supply Management für das nicht-verarbeitende Gewerbe, der Bericht über das US-Bruttoinlandsprodukt für das zweite Quartal und vereinzelte Hinweise aus dem Einzelhandel.

Unserer Ansicht nach ist es noch zu früh, um den Schluss zu ziehen, dass die USA auf eine Rezession zusteuern. Doch selbst eine stärkere Verlangsamung kann zu Gewinnenttäuschungen führen, auf die ein überbewerteter Aktienmarkt nicht vorbereitet war.

Die Fed wird die Zinssätze im September und danach sicherlich senken. Die Markterwartungen für die September-Sitzung liegen derzeit bei einer Senkung um 50 Basispunkte, und eine Senkung zwischen den Sitzungen ("Notfall") ist nicht auszuschließen. Die Anleger werden die Sitzungen der Fed im August in Jackson Hole, Wyoming, aufmerksam verfolgen, um Hinweise auf ihre Politik zu erhalten.

Robert Greil, Chefstratege Merck Finck

Enttäuschende Zahlen zu den neu geschaffenen Arbeitsplätzen in den USA haben in der vergangenen Woche zusammen mit dem infolge der japanischen Leitzinsanhebung erstarkenden Yen einen Kurssturz an den Aktienmärkten ausgelöst. Gestern gingen die Kursverluste noch weiter, heute Morgen sieht es nach einer Gegenbewegung aus. Stehen wir in den USA wirklich vor einer Rezession?

Wir halten die teils überbordenden Ängste vor einer US-Rezession für übertrieben und gehen in unserem Basisszenario nach wie vor von einer „weichen Landung“ der Wirtschaft aus. Der Arbeitsmarktbericht für Juli mag auf ein nachlassendes Wachstumstempo hinweisen, war aber aus unserer Sicht auch durch einige Sondereffekte geprägt. Andere Indikatoren wie etwa der gestern Nachmittag veröffentlichte ISM-Bericht für den Dienstleistungssektor im Juli zeigen hingegen sowohl in Sachen Beschäftigung als auch Auftragseingang klar positive Entwicklungen.

Im Gegensatz zum ISM-Bericht für das verarbeitende Gewerbe ist der für die Dienstleistungsbereiche im Juli gut erholt und besser als erwartet ausgefallen. Während das verarbeitende Gewerbe für die US-Wirtschaft ohnehin weniger wichtig ist, deutet sich im bedeutenderen Dienstleistungssektor somit weiteres Wachstum an.

Den aktuellen Abverkauf sehen wir daher neben den Folgen der Auflösung internationaler Yen-finanzierter Investments eher als eine Enttäuschung der Marktteilnehmer, die auf eine möglicherweise überbordende Euphorie folgt. Dies ist im Vorfeld der ersten US-Leitzinssenkung, die wir mit 25 Basispunkten unverändert für September erwarten, nicht ungewöhnlich – was neben den geopolitischen Risiken einer der Gründe ist, warum wir mit mehr Volatilität an den Märkten gerechnet haben. Am fundamentalen Gesamtbild hat sich aus unserer Sicht nichts Materielles geändert – ein US-Arbeitsmarktbericht macht noch keinen neuen Trend.

 Wir haben uns in der Anlagestrategie auf die für das zweite Halbjahr erwartete höhere Volatilität unter anderem mit einer stärkeren Diversifizierung unseres Portfolios und weiteren Absicherungsmaßnahmen vorbereitet. Unsere strategischen Investments in hochwertige Anleihen erfüllen wieder ihre traditionelle Rolle als Absicherung gegen abwärts gerichtete Wachstumsrisiken und haben sich in dieser Zeit der Marktvolatilität gut entwickelt. Ein solches Szenario wäre auch für unsere Goldposition günstig.

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